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Der Lobenstock

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Der Ramsauer Pastor tadelte ihren Bezieht milde, aber sehr ernsthaft als einen sündlichen Aberwitz. Uberhaupt, sagte er, die Täuschung, daß Wunder, Zau-berey, alias Dämons Mächte, die irdische Materi bezwängen, ist aus und fürüber. Jawohl, nickte der Pfarrer, aller Daseins Rätsel seynd ledig Kunststückl der Natur, durch die bare Vernunft heute schon tief erforschlich. Und um seine Belehrung der einfältigen Frau klarer zu machen, beschrieb er kuriose Geschicklichkeitsmaschinen, welche man vor hundert Jahren als Teufelswerk verabscheut hätte.

Zum Beispiel, sagte er, in Engelland ein fortschrittlicher Mann besitze die neuesten selbeigens konstruierten Webstühle, dienstbar einer einzigen Menschenhand. Aber sie fördert soviel in einer Stunde wie zehn Handwerker den ganzen Tag.

Das ist nur ein Zweig der glorreichen Wissenschaft, eiferte der Toleranzpastor, ebenfalls begierig nach dem Wort, und explizierte ihr, daß die bisher gottsgewaltigen Himmelserscheinungen Blitz und Donner auch schon mittelst des menschlichen Geistes bezähmt wären. Doch vom feindlich kalten teilnahmslosen Bück der alten Frau getroffen, schloß er begütigend:

Übrigens sogar das geheime Liebestränklein ist entschleiert. Seine Kraft beruht auf jener Substanz, welche der Zigeuner den Pferden füttert, vermute Arsenik.

Der Kulmer Pfarrvikar wollte indes seinen Herzkönig der Muhme gefälliger machen. Er sagte unter einem Lächeln:

Muß nicht dies, kann ein ganz unschuldiges Sympathiemittel sein, welches dem guten Vasolden durch die Einbüdung und Wohlmeinung wirksam erscheint. Das Volk ist noch rückständig, unterliegt alten Gepflogenheiten. Nenne nur das ewige Bibellesen. Hilft es nicht, so schadt es nicht.

Wie der Weihbrunn, sagt der Pastor.

Die Herrn verübelten die kleinen Bosheiten einander nicht. Jeder befleißigte sich fürmehr der .geziemenden Höflichkeit und an der Tür noch wollte sich keiner zum Vortritt herbeilassen. Der eisgraue Knecht schlug furchtsam hinter ihnen das Kreuz. Ja, ja, sagte er:

Wann d' Almrosen blau wer'n.

Wann die Ketzer schon lau wer'n.

Wann d' Heiligen pfeifen a weltlich Liedel,

Wann d* Frauna a rots Kittei ham und a gspitzts Hüetel,

Aft dauert es neamer lang Bis zum Weltuntergang.

Den Freitag nach Christi Himmelfahrt regnete es prasselnd. Bei der Nacht wurde es heiter und sternklar, so konnten sie Samstag frühe in die Alm fahren. Der Halterbub mit dem Galtvieh spannte in närrischen Sprüngen voraus. Oft verschwanden sie dünn und geisterhaft im Nebel. Ein Nachbar, der Schrempf, vulgo Minzl, zarrte ihnen den wilden, schwarz-krauseten Stier geblendet aufwärts. Die Kühe folgten schön gemach von selber.

Was suechst denn? fragte der alte Knecht, wann er neben dem Rössel stehen blieb.

Nichts, antwortete das Mädchen jedesmal, ohne vom Boden aufzublicken.

Als sie gegen die große Drehe kamen, wo sich aus der geschlä-gerten Waldblöß die Steinblöcke lichteten, schmatzte er genießerisch.

Es war schon noch zu finden, ahwohl. Wanns die studierten Herrn auch leugnen. Dasselbe, sprach er wieder nach einer erklecklichen Zeit... was der Lobenstock in seiner Baderkuchl zu Schnaps gebrennt hat. Die Vasolden seynd eine alte Sippschaft und brauchten es ingleichen. Auf dem Rezept steht noch der Namen und die Jahrzahl 1322, weil der Vorfahr ein Schladminger Stadtrichter gewesen ist und es bei einer Hex ausvisitiert hat, inwährend die Scheiter schon brunnen. Freilich, wissen solle es niemand. Ehender haben sie's neidig verhehlt und heutigentags schämen sie sich. Aber wahr ist alleweil, daß die Vasolden nicht absterben. Der Ferdinand war dir halt das hebe Leben willig.

Sie seufzte nur und strafte ihn bei allem, was er tagsüber für sie arbeitete, mit wehleidiger Stummheit.

Aui dem Roman „Der Lobenstock” der steirischen Dichterin, der Anfang Juli im Verlag Styria wieder erscheint.

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