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Der Weihnachtshase

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Ein Weihnachtshase? Der Weihnachtshase ist die zurechtweisende Antwort auf die zeitgemäße Frage unserer treuen Leserin Maria Josefine A. aus B.: „Muß denn das uns so teure Weihnachtsfest immer noch teurer werden?"

Liebe Frau A. aus B., wir verstehen ihre Not angesichts der ungeheuren Verführungssucht, die auch dieses Jahr aus den überraschenderweise immer noch warenstrotzenden Schaufenstern unserer gebeutelten Wirtschaftsbetriebe dräut.

Was soll man auch den lieben Kinderchen heute noch schenken, wo sie doch im Laufe eines langen Schuljahres ohnedies schon alles Schenkbare erhalten haben: einen Taschenrechner für das bestandene Erstdiktat, eine umschnallbare Stereoanlage für die unbeschädigte Absolvierung eines Schikurses, eine mehrwöchige Südlandreise für die Versicherung der Mehrzahl der Lehrer, daß einem Aufrücken in die nächste Klasse nach höchstens einer Wiederholung der derzeit besuchten nichts, aber auch fast gar nichts mehr im Wege steht. An diesen pädagogisch unverzichtbaren Ausgaben, liebe Frau A., ist nun einmal nicht zu sparen!

Und dennoch: es gibt auch für Sie gewisse Möglichkeiten. Man muß bloß an die Wurzel des weihnachtlichen Kostenübels gehen. Dies hat der aus Film, Funk und Fernsehen nicht länger unbekannte Professor Dr. Dr. Grünmandl, gefürchteter Innsbrucker Austrologe und Träger des goldenen Hubertusmantels für Verdienste um die Zillertaler Lodenindustrie, schon vor Jahren getan. Professor Grünmandl hat über mehrere Jahrzehnte die Preisentwicklung bestimmter weihnachtsfestrelevanter Produkte beobachtet und dabei eine sensationelle Entdeckung gemacht: Er entdeckte den äußerst auffälligen Verlauf der Christbaumpreiskurve !

Während noch Ende August, Anfang September auch für äußerst gerade gewachsene Silbertannen lediglich Preise im Gegenwert von einem halben Liter Heizöl erzielt werden, muß man bereits in der zweiten Adventwoche ein gebrauchtes Mofa opfern, will man in den Besitz eines auch nur annähernd einer Tanne ähnelnden Nadelgehölzes gelangen. Der Preisauftrieb setzt sich danach hyperlinear ins Unerschwingliche fort.

In wirtschaftsakademischen Kreisen meinte man damit endlich die Erklärung für die Inflationskrise der letzten Jahre gefunden zu haben, aber: es sollte doch ' noch nicht so weit sein. Es gab da nämlich einen plötzlichen und auch von Prof. Grünmandl bis heute nicht restlos aufgeklärten Knick in der christbäumlichen Kosten-Leistungskurve. Unerwartet und jäh sprang nämlich der Preis auch der allerschönsten Alpen-Tannen wieder unter den Brennwert. i

Prof. Grünmandl konnte den Zeitpunkt nicht auf die Minute ermitteln, aber es muß sich um den Spätabend des 24. Dezember handeln, so viel weiß man gewiß. Die Grünmandelsche Erkenntnis führte zur Aktion „Billiger Christbaum", die zum Ankauf der duftenden Feiergeräte erst nach dem 25.12. riet. Der Aktion war jedoch kein durchschlagender Erfolg beschieden. ^x

Der Ansatz aber, liebe Frau Maria-Josef ine A., das dürfen wir Ihnen heute tröstlich versichern, war richtig! Es war ein wirtschaftlicher, der die Marktgesetze respektierte, was ja heute kaum noch einer tun will. Und so freuen wir uns auch, Ihnen heute endlich einen Vorschlag präsentieren zu können, der auch Ihr Kostenproblem entscheidend entschärfen wird — und nicht nur das zu Weihnachten, auch das zu Ostern und zu Pfingsten.

Sie werden sich sicherlich schon darüber geärgert haben, daß durch die ständigen Preissteigerungen der festtäglichen Süßwaren ihre Kasse zusätzlich strapaziert wird. Der Weihnachtsmann und das Christkind aus Schokolade kosten auch immer mehr. Auch dies muß nicht so sein! Wir beachten: je größer die Auflage, die Produktion, der Absatz, desto geringer der Einzelpreis.

Man hat da schon allerhand versucht. Man formte neutrale Eioide und beklebte sie mit verschiedenen Papierhülsen, einmal als Krampus, dann als Schaf. Aber all dies reichte leider nicht. Es gibt zu viel unterschiedliches Getier, daß unsere Feste durch das Jahr begleitet: den Oster-Hasen, den Pfingst-Ochsen, die Ni-ko-Laus — auch der Krampus ist mehr Bock als Mensch — schließlich noch den Weihnachts-Mann. Da kann man ja nicht billig produzieren.

Aus diesem Grund fordert die Schutzgemeinschaft gestreßter Weihnachtseinkäufer — und wir meinen zurecht! — die konsumentenfreundliche Vereinheitlichung: Wir wollen den allgemeinen Festhasen! Der wird dann in Größtauflage vorproduziert — und braucht auch gar nicht mehr unterschiedlich eingewickelt oder beklebt werden. Es heißt bloß immer anders. Sicherlich, liebe Frau A. aus B., bedarf dies einer gewissen Umgewöhnung, aber wir sind überzeugt, daß sich Sie und Ihre liebe Familie ganz schnell an den Weihnachtshasen gewöhnen werden.

Und wenn er Ihnen unter dem Weihnachtsbaum auch zunächst etwas verfrüht vorkommen mag, schauen Sie doch in Ihr Portemonnaie — und Sie werden sich keinen Weihnachtsmann mehr zurückwünschen!

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