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Des Wüstlings Weg

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Dem Klagenfurter Stadttheater gebührt die Ehre, seinem musikalischen Spielplan einen Höhepunkt gegeben zu haben: Strawinskys Oper „Der Wüstling” (The Rake's Pro-gress) gelangte zu hervorragender Aufführung, bei der es schwer fällt, zu entscheiden, wem die Palme gebührt. Orchester, Ensemble, Regie und Bühnenbild fanden sich zu einer Einheit, der das Prädikat „gültig” zuerkannt werden darf.

Unter der Leitung von Robert Filzwieser, der seinen Musikern Klangfülle, Präzision und Eingehen auf „die dort oben” zu geben wußte, lief das Leben des Tom Rakewell, dem Geld und Teufel den Weg ins Irrenhaus von Bedlam bestimmen, anschaulich ab, begleitet von den Gestalten der Handlung, der Strawinsky seine schöpferische Kraft zugewandt hatte, darin er die verschiedenen „Stilarten” der Oper zwischen Arie, Ensemblesatz, Rezitativ und Chorsatz mit den persönlichen Eingebungen seines kompositorischen Könnens zur Einheit besonderer Art verschmolz, das Geschehen deutend, malend und unterstreichend.

Gian-Carlo del Monaco setzte das Werk in Szene, und die Art, mit der er alle Schwierigkeit überwand, die Solisten lebendig führte und den Chor zu skurrilem Mitspielen veranlaßte, wies ihn als Meister aus, der auch dem Bildhaften sein Recht zu geben weiß; so wurden Freudenhaus, Auktion und Narrentum zu optischen Höhepunkten. Daß er im Bühnenbildner Matthias Kralj eine Hilfe besaß, die nicht hoch genug einzuschätzen ist, kommt hinzu. In steter Steigerung reiht sich Bild an Bild, auf schwarzem Grund wie mit Kreidestrichen skizziert und im Entsetzen des Irrenhauses fast ins Symbolische gesteigert; hier werden die in den Hintergrund verschwebenden Ringe über dem Käfig zu Kreisen der Hölle. Erwähnen wir die von der Staatsoper gestellten Kostüme (Hill Rheis-Gromes) und die makellose Einstudierung der Chöre durch Manfred Mayrhofer, um dann zu den Solisten zu gelangen, die den Erfolg besiegelten: die „Senta”-Gestalt der Ann (Marta Nagy), die überraschend starke Leistung der Debütantin Anne Gjevang als Tür-kenbaba, der sprachlich allerdings unzureichende Ronald Dutro, der den Nick Shadow in satanische Schwärze kleidete, und den Auktionator Herold Kraus, der über den Wirbel der steigernden — „Gebärden da gibt es vertrackte” — Stimme und Geste hob. Und dann der Träger der Titelgestalt — William Blanken-ship, den Klagenfurtern in bestem Gedächtnis. Mit dem Gehalt seines Tenors nimmt er von Anfang an ein, weiß sich geschickt durch die Stationen eines wüsten Lebens zu steigern und findet dann im Friedhof und im Irrenhaus zu jenem seelischen Empfinden hin, dem er mit der Weichheit und Innigkeit seiner Stimme prächtig zu dienen weiß. Daß seine darstellerischen Fähigkeiten voll zum

Tragen kommt, bringt es mit sich, daß man seinem „Wüstling” vollste Anerkennung zollen darf. Das Publikum, Strawinsky ein wenig fremd gegenüberstehend, gab dem Abend, was ihm als Theaterereignis gebührt: Applaus in voller Stärke.

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