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Die Akrobaten am Lenkrad
Großartig, dieser Fortschritt der Technik. Man staunt, was alles technisiert, computerisiert, mechanisiert ist. Da fahren zum Beispiel Autolenker, die Linke lässig am Lenkrad, mit 80 Sachen über den Gürtel, ihr Autoradio plärrt überlautstark und die Rechte preßt den Hörer des Autotelefons ans Ohr, während der Motor-Benhurplau-dert, lacht, prustet und anschafft: „...net vergessen, tuas Bier in Eis-kastn und tau' die Schrimpserln auf, der Rotschädlerte frißt de so gem. Tschau, tschau, Puppi!" Ich kurble mein Fenster hinauf und wundere mich, daß ein so Vielbeschäftigter nicht alle 100 Meter einen Unfall baut, ist doch Konzentration auf die Verkehrslage bei derartigen Ablenkungen wohl nur beschränkt möglich.
Da gibt' s Radarkastln, Radarpistolen, Parkplatzüberwachungskräfte weiblichen und männlichen Geschlechts, Strafmandatsverteiler und ähnliches - aber Autofahren, Radiohören und Telefonieren gleichzeitig, das wird nicht strafrechtlich verfolgt. Verwunderlich nur, daß nicht bereits in jedem zweiten Personenwagen Espresso- und Butterbrotstreichma-
schinen eingebaut sind. Oder haben die keine Chance, solange man feststellen kann, daß gar nicht so wenige Lenker während der Fahrt ihre Augen auf einem Mini-Fernsehschirm ruhen lassen und dadurch für die Herstellung der Wurschtsemmel keine Zeit haben.
Gefährdung anderer
Die Stadt Wien baut Schwelle über Schwelle in die Fahrbahnen, Salzburg stellt Blumenkistln auf und veranlaßt die Kraftfahrer Slalom zu fahren und in meinem Großenzersdorf sind die Asphaltdecken der Straßen derart desolat, daß man höchstens 30 Stundenkilometer fahren kann, will man sich nicht die Aufhängungen zer-merschern. Und trotzdem passiert immer was. Muß da noch vom fahrenden Auto aus herumtelefoniert werden? Ich will ja der Post nicht das Geschäft mißgönnen, denn Herr Sin-delka ist ein freundlicher Mann, aber hier geht es nicht mehr um' s Geldverdienen, hier geht es um Menschen.
Vielleicht überlegt der Gesetzgeber einmal, wie so etwas beherrschbar zu machen ist. Wenn die Damen und Herren Abgeordneten glauben, dem Druck der Industrie oder dem der Autofahrerclubs nicht gewachsen zu
sein, dann kann man ja über diese Materie im Plenum geheim abstimmen lassen. Ohne Fraktionszwang und ohne Zinken der Stimmzettel.
Es wird auch nicht notwendig sein, daß Geheimverhandlungen mit Vertretern der Bürscherlpartie in Nobellokalen wie dem, .Firenze'' in der Wiener Singerstraße geführt werden, wo zwischen Osso Bucco und Zuppa Inglese schon manches Glas auf neue Freundschaften geleert worden sein soll, wie man mir erzählt.
Ich selber komme ja in derartige Feudalbeiseln nur selten, verdiene ich mir meine (Bären)Taler noch immer zu schwer und genieße auch nicht die Huld Fortunas, die anderen: sogenannten Glückspilzen, Erbonkel- und Tanten schickt. (Der deutsche Dichter Lion Feuchtwanger schuf in seinem großen Roman „Erfolg" dje Figur eines Jungpolitikers, den er als den „Windigen" bezeichnet. Ich hätte nie geglaubt, daß ich in Österreich so einem Typ jemals begegnen würde. Leider habe ich mich geirrt.) Auch diese Chorknaben der Politik sind eingefleischte Autotelefonierer, aber sie fahren wenigstens nicht selber, sondern lassen sich kutschieren. Noblesse oblige - ob man sie hat oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
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