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Die Einheizzeitung kommt

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Es ist einige Abende her, da fiel ich, es war längst das Jahressechstel angebrochen, das unter dem kommerziellen Weihnachtsunstern steht, in einen unruhigen Nachtschlummer. . Im windigen Rascheln des späten Herbstlaubes vor meinem Fenster hörte ich zuerst undeutlich, dann immer klarer die Eröffnungsworte zu einem Marketing-Symposion. Noch ehe ich versuchen konnte, einzugreifen und die Teilnehmer hilfreich an die Urbedeutung des Wortes Symposion zu erinnern, begannen die Fachleute zu diskutieren.

Man müsse, sagte einer, im Handel, aber auch im Design und somit bei der Produktion, rationeller vorgehen. Es sei in Zukunft undenkbar, Mutter-, Vater- und Weltspartag gesondert zu gestalten, auch wenn sie eventuell weiterhin im Datum auseinanderklafften. Auch die Tage des Kindes, des Baumes, des Buches und der Dritten Welt sowie der 1. Mai könnten unter einen Generalgedanken gestellt werden.

Da meldete sich eine Frauenstimme. Sie beklagte die ihrer Meinung nach völlig irrige Ansicht, Krampus und Fasching seien zwei verschiedene Angelegenheiten, und sie schlug vor, Schokoladefiguren zu kreieren, die, so wie bereits jetzt die nicht verkauften Nikolausgestalten leicht auf

Osterhasen umzufunktionieren seien, als anfängliche Hexen mit Besen auf spätere Kr ampusse und deren Schwänze zu mutieren sein müßten. Das käme sowohl der Werbung für Haushaltsgeräte wie auch jener für Fernheizwärme gleichermaßen zugute.

Nach heftigem Beifallsrauschen vernahm ich eine weitere Wortmeldung, die den Welttierschutztag mit Pfingsten und Weihnachten zu koppeln versuchte. Die Begründung war einleuchtend. Taube, Pfingst-Ochse und -Esel sowie jene der Krippe als auch die Schafe der Hirten bildeten eine Einheit, deren datumsmäßige Zerrissenheit fürderhin durch nichts zu rechtfertigen sei. Der PR-Sprecher einer Fleischhauerkette rief erregt, daß im Sinne der Koordination dem Tag des Brotes einer der Extrawurst zu folgen habe, was einen Diätmargarineerzeuger zu heftigen Zwischenrufen animierte, von denen nicht auszunehmen war, ob sie Zustimmung oder Ablehnung ausdrückten.

In Weiterführung dieser Uber-legung schlug einer der Redner vor, hier und jetzt die Perpetuie-rung des 1. Jänner auf das ganze

Jahr zu beschließen, da im Sinne eines geplanten EG-Beitritts damit nicht nur Europareife bewiesen, sondern auf dem Weg über das tägliche Neujahrskonzert auch weltweite Medienpräsenz bewirkt werden könne. Hierauf schlug eine Arbeitsgruppe die im Sinne des Straßen- wie auch des Fremdenverkehrs sinnvoll erscheinende Zusammenlegung von Schulbeginn und Schulschluß vor, und ein Tag des Tages wurde zwar einstimmig beantragt, jedoch mehrstimmig abgelehnt, wohingegen ein Tag der Nacht aufgrund seines Rationalisierungseffektes zumindest in Erwägung gezogen wurde.

Schon nahte das Ende der Tagung, da erhob sich ein von der Medienvielfalt offensichtlich geschädigter Leser und forderte händereibend die Gründung einer Einheitszeitung. Zu spät, nämlich bei der schriftlichen Protokollierung dieses begeistert angenommenen Vorschlags, erkannten die Unterzeichner, daß der Pferdefuß dieses Postulats in der Orthographie lag.

Der schlitzohrige, vielleicht aber auch nur unter Brennstoffmangel leidende Einreicher hatte die Einheizzeitung durchgesetzt.

Da wachte ich glücklicherweise auf. Denn noch immer raschelten die Blätter.

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