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Die Rösser immer im Griff

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1693 wurde die erste Mietkutscher-Lizenz in Wien erteilt. 1848 gab es bereits 680 Fiaker. Die große Zeit der „Zeugin” kam jedoch mit der Stadterweiterung in den Gründerjahren. Erst die Motorisierung hatte den Untergang des Fiakers als Verkehrsmittel zur Folge. Der wachsende Fremdenverkehr brachte die Fiaker später als Touristenattraktion wieder.

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1693 wurde die erste Mietkutscher-Lizenz in Wien erteilt. 1848 gab es bereits 680 Fiaker. Die große Zeit der „Zeugin” kam jedoch mit der Stadterweiterung in den Gründerjahren. Erst die Motorisierung hatte den Untergang des Fiakers als Verkehrsmittel zur Folge. Der wachsende Fremdenverkehr brachte die Fiaker später als Touristenattraktion wieder.

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Zur Zeit gibt es in Wien vier Fiakerstandplätze: am Heldenplatz, am Stephansplatz, bei der Albertina und am Petersplatz. War das Fiakerwesen seit jeher fest in männlicher Hand, so gibt es seit acht Jahren auch weibliche Fiaker. Die erste Frau, die 1985 den Mut aufbrachte, in diese Männerdomäne einzubrechen, war Elisabeth Ringl, Tochter einer traditionellen Wiener Fiakerfamilie. Mittlerweile sind sieben Fiakerinnen in Wien unterwegs. Sie stehen 40 männlichen Kollegen gegenüber.

Elisabeth Ringl erinnert sich an ihre Anfangszeit: „Am Beginn gab es ältere Kollegen, die dagegen waren, daß nun eine Frau in diese festgefahrene traditionelle Struktur des Fiakerwesens einbrach. Mit den jüngeren Kollegen gab es nie Probleme. Auch manche Fahrgäste hatten Bedenken, ob einer Frau diese Arbeit zuzutrauen wäre. Ich habe aber genug Kraft, meinen Wagen und die Pferde jederzeit im Griff zu haben.”

Der Betrieb Ringl umfaßt heute vier Wägen und 14 Pferde. Neben Vater und Tochter arbeiten zwei Stallburschen, sowie für jeden Wagen ein Fahrer und ein Springer mit. Daß zu diesem Geschäft viel Liebe und eine gesunde Portion Optimismus gehören, zeigt die Entlohnung der Fiaker. Mit rund zwölftausend Schilling monatlich, einem freien Tag pro Woche und einem freien Wochenende pro Monat sieht der Beruf auf den ersten Blick nicht besonders attraktiv aus.

„Wenn man an einem Arbeitstag während der Woche vier Fuhren macht, dann ist das schon gut. Am Wochenende ist etwas mehr los. Wie bei den Taxis geht es bei uns der Reihenfolge in der Warteschlange nach. Den überwiegenden Teil unserer Fahrgäste machen Touristen aus, vor allem Italiener, die heuer jedoch weniger in Wien sind. Natürlich haben wir auch Einheimische als Gäste, aber wenig. Bei den Österreichern und im speziellen bei den Wienern sind wir eher für Familienfeste gefragt, beispielsweise bei Erstkommunion, Firmung, Muttertag und in den letzten Jahren vermehrt auch bei Hochzeiten. Ab und zu kommt es auch vor, daß ein Gast zum Heurigen nach Grin-zing will.”

Hindernislauf

Bei Familie Ringl beginnt der erste Fiaker um sechs Uhr früh und beendet seinen Arbeitstag zwischen 17 und 18 Uhr. Von Ostern bis in den Oktober hinein wird täglich gefahren. Ab dann werden nur zu Weihnachten und Neujahr Fahrten eingeschoben.

Probleme bereiten den Fiakern heute der ständig wachsende innerstädtisehe Verkehr und die unzähligen Baustellen: „Am schönsten zu fahren ist es am Wochenende. Auch der Fahrgast hat mehr davon, weil er um dasselbe Geld mehr sehen kann. Die kleine Tour, 20 Minuten dauernd, kostet 400 Schilling, die große Tour, 45 Minuten, kostet 800 Schilling. Ich persönlich genieße es selbstverständlich auch, am Wochenende sozusagen freie Fahrt zu haben!”

Zur Zeit ist Elisabeth Ringl nur bei Hochzeiten und einen Tag pro Woche unterwegs. Der Grund dafür: Ihre 17 Monate alte Tochter. Daß Elisabeth Ringl hart im Nehmen ist, bewies sie damit, daß sie noch vier Tage vor und drei Monate nach der Geburt ihrer Tochter auf dem Kutschbock saß.

Genauso selbstverständlich war es für sie, die Fiakerkonzession zu erwerben, um eines Tages den väterlichen Betrieb übernehmen zu können. Von den drei Ringl-Töchtern interessierte nur sie sich für dieses Geschäft: „Mir hat es immer schon Spaß gemacht, mit Menschen zusammenzukommen, ihnen meine Heimatstadt zu zeigen. Auch die Arbeit mit den Pferden war ausschlaggebend für mich, diesen Beruf zu ergreifen. Wenn man etwas gerne macht, sind die Nachteile schneller vergessen. Schon als Mädchen haben mich Diskotheken nie interessiert. Da bin ich lieber bei den Pferden im Stall gewesen.”

Und auch Elisabeth Ringls kleine Tochter sitzt schon fest auf dem Rücken der Pferde. Vielleicht wird auch sie eines Tages auf dem Stephansplatz stehen und fragen: „Wohin darf's denn gehen?”

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