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Ein normales Hundeleben

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Mein Hund ist ein ganz normaler Hund - er schläft viel, frißt genug, wedelt mit dem Schwanz und schlempert sein Wasser, das er nach ein paar Stunden wieder loswerden muß. Also geht man mit ihm Gassi und schaut drauf, daß er nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel Bewegung macht, weil er doch mit der Hüfte zu tun hat. Kuvacze, diese mozartköpfigen, kurzwelligen ungarischen Hirtenhunde sind sehr anfällig und wahrscheinlich überzüchtet. Meine Dritte ist sie, meine kleine weiße Frau, ja, meine dritte Hirtenhündin, obwohl es nix zu hirten gibt in unserem Haus mit dem kleinen Garten. Sie hat natürlich einen ungarischen Namen, heißt Hirös (die Berühmte), aber wir rufen unser Mäderl „Hiri” und sie hört auf beide Namen - nicht. Ein ganz normaler Hund also.

Natürlich hätten wir den Namen germanisieren können, so wie viele Leute verfahren mit ihren angestammten Familienbezeichnungen. Da kenn' ich ein deutsches Windspiel aus Oberösterreich, das Jörgl vom Bärental gerufen wird, einen Bernhardiner, den sie Claus vom Kohlenpott rufen, obwohl er vom hohen Norden kommt. Aber der Adel ist in Österreich abgeschafft, und sq will ich auch mein Hundepup-perl nicht mit irgendwelchen Von und Zus belasten. Mir macht mein

Hund Freude, wie immer er auch heißt.

Wenn auf dem Bildschirm Berichte über die Katastrophe im Nahen Osten erscheinen, zieht Hiri ihren Schwanz ein und trottet aus dem Zimmer. Sie scheint wirklich zu verstehen, was sich da abspielt und will - ihren Kopf lieber unter Decken begraben, als all das Leid und Grauen ansehen. Braves Hun-di, g'scheites Hundi, denk' ich oft und bewundere das Talent, einfach aufstehen und weggehen zu können. Rudolf Kirchschläger, unser sehr geliebter Alt-Präsident, schrieb mir einmal, eine kulturelle Affäre behandelnd: „Was uns bleibt ist -einfach nicht zu Tische zu gehen”. Und Alfred Polgar, der große Theaterkritiker, meinte einmal nach dem ersten Akt eines Theaterstückes: „So jetzt kauf ich mir eine Karte und geh' weg”.

Weggehen, Ausreißen, Davonlaufen! Wer kann das? Der Mensch ist besser dran, wenn er bleibt, wo er hingehört, solange es dort irgendwie erträglich ist. Seit ich den öl-verschmierten Vogel gesehen habe, der da im Schlamm der Wellen umherirrt, komme ich mir oft so vor, wie dieses bemitleidenswerte Tier, das unfähig ist, mit den Flügeln zu schlagen. Mein Hund allerdings, der ist klüger. Er nimmt es einfach nicht zur Kenntnis. Oft denke ich: no ja, er versteht's halt nicht und dann, ja dann zweifle ich. Seine Augen schauen so wissend - oft trüb und traurig, oft aufmunternd und beruhigend. Meine Hiri redet oft mit mir, auch wenn sie nicht sprechen kann. Eine hochgezogene Augenbraue, ein langsam sich hin und her bewegendes Schnauzerl, leicht aufgestellte Ohren, eine wedelnde Rute.

Mir werfen Freunde oft vor, daß ich meinen Hund fast wie einen Menschen behandle. Ich denke, das ist nur eine natürliche Reaktion darauf, daß Menschen ihresgleichen oft wie Hunde behandeln. Da werden Milliarden verraketet, Milliarden verpulfert, ein Teil davon könnte genügen, Rußland vor dem Chaos, Hunderttausende Kinder in Afrika vor dem Hungertod und den Regenwald vor der Vernichtung zu retten. So gemein, so stupide, so un-menschlich würde mein Hund nie sein. Ist es also ein Wunder, wenn ich es manchmal vorziehe, mich auf den Fußboden zu knien und meiner kleinen Weißen das Bauchi, den Nacken und das Kopferl zu streicheln, statt Phrasendreschern zuzuhören und Unmenschen ins Gesicht zu schauen. Bruder Tier ist leichter zu finden als Bruder Mensch. Ob das der Schöpfer so geplant hat? Ich erlaube mir, das ganz entschieden zu bezweifeln!

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