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Eine Universität öffnet ihre Tore

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In Wien wohnen 1,5 Millionen Menschen. 50.000 davon sind Studenten. Ein Großteil der Wiener kennt zwar die vielen Universitäten und Hochschulen der eigenen Stadt, wohl aber kaum etwas von deren internem Geschehen. Man mißt den Hochschulen dieselbe Funktion zu wie den Lipizzanern: zum Vorzeigen für Ausländer -der blumengeschmückte springbrunnenverzierte Arkadenhof der Universität, vielleicht noch der große Festsaal am Karl-Lueger-Ring. Auf sie ist der Wiener stolz. Ebenso wie auf die berühmte Wiener Medizini-

sehe Schule und auf bedeutende Wissenschafter der Bundeshauptstadt

Das alles ist nicht entscheidend für die Institution Universität. Aber die scheinbare Unzulänglichkeit der Wissenschaften läßt nur wenige Auserwählte im Gewirr der universitären Gänge ihre Arbeit verrichten. Auf die Idee, daß vielleicht junge Menschen, die an Universitäten studieren, anderen den Zugang zu den geistigen Hochburgen öffnen könnten, kommt man selten. Gelten doch die Studenten für zu viele als „langhaarig und schmutzig“, als Radaubrüder, die demonstrieren und auf dem Ring Straßenschlachten anzetteln, als Extremisten, die auch vor Menschenraub und Erpressung nicht zurückschrecken. Überdies kosten sie viel Geld - sie leisten ja schließlich nichts Produktives - und werden noch dazu überall durch Verbilli-gungen gefördert.

Wer weiß aber, was es bedeutet, in einem vollgestopften Hörsaal -mitunter stehend - mitzuschreiben, was ein Vortragender, oft schlecht verständlich, vorliest? Wer kann sich einen langen Arbeitstag in ..dunklen Seminarräumen, vorstellen, wo gerade das dringend benötigte Buch nicht zu' bekommen ist? Wer kann sich ein Bild vom Studenten machen, der an Nachmittagen oder durch lange Nächte hindurch Lehrstoff aufarbeitet, um ihn einmal wiederzugeben oder mit ihm weiterzuarbeiten?

Der Student, der monatelang ein Zimmer sucht; der seine Ausbildung oft durch Halbtagsarbeit selbst finanzieren muß; der sozial isoliert in einem wenig kommunikationsfreundlichen Heim Selbstmordgedanken wälzt - er fällt rucht auf. Oder erst dann, wenn es zu spät ist. Denn es ist zu spät, wenn er verzweifelt das Studium abbrechen muß, weil das Geld nicht reicht, die Kontakte versanden, niemand Hilfe zu leisten bereit war.

Die Menschen „auf der Straße“ zeigen wenig Verständnis' für das, was auf der Universität vorgeht. Si-

cherlich ist nicht jedes Detail einer Forschungsarbeit erklärbar, aber Grundzüge der Forschung sind -wenn sich die Verantwortlichen darum bemühen - auch allgemeinverständlich darstellbar: eine große Aufgabe für den Wissenschafter.

Aus diesen Gründen veranstaltet die Hochschülerschaft an der Universität Wien am Samstag einen „Tag der offenen Tür“, um die Kluft zwischen der Universität, ihren Angehörigen und der übrigen Bevölkerung überwinden zu helfen. Assistenten und Studentenvertreter stehen für Auskünfte und Studienberatung zur Verfügung. Die Mediziner führen im Rahmen der bundesweiten „Aktion U“ Blutdrucküberprüfungen durch. Alle Fakultäten veranstalten Vorlesungen. Besonders die geisteswissenschaftliche bietet davon eine breite Palette vom „Staatsvertrag“ (Prof. Gerald Stourzh) über „Die Universität 1945 bis 1978“ (Prof. Kurt Schubert) und „600 Jahre Student“ (Prof. Franz Gall) bis zum „Wiener Dialekt“, und der Orientalistik. Eine Multimediashow über das Studentenleben, Blas- und Jazzmusik, Freimüch sowie eine Ausstellung „Die Universität seit 1945“ bilden den Rahmen einer tagesfüllenden Präsentation der Universität Wien für die Wiener, die sich diese Chance primärer Information zu Österreichs größter Universität nicht entgehen lassen sollten.

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