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„Er hat gebeichtet“

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Auf dem Programm des letzten Konzertes rnät Werken von Raimund Weißensteiner standen wieder drei Uraufführungen: ein Liederzj/Jclus („Meine Seele, was denn bist du?“), ein Quintett für Flöte, zwei Violinen, Viola und Violoncello, und ein Kammeroratorium für Soli, gemischten Chor und Klavier („Napoleon hat gebeichtet“).

Im Oeuvre von Raimund Weißensteiner nehmen die Gesangszyklen für Solo-Stimme und großes Orchester, die man auch als Symphonie-Zyklen für Gesang und Orchester betrachten könnte, eine immer wiederkehrende charakteristische Stellung ein. Sechs derartige Werke hat Weißensteiner bisher geschaffen. Bei dem im Vorjahre uraufgeführten Liederzyklus („Was seine Liebe ist, das ist der Mensch“) hat der Komponist erstmalig auf das große Orchester verzichtet und das Klavier eingesetzt. So ist es auch im neuesten Liederzyklus. Weißensteiner hat die Texte wieder selbst ausgewählt und in der Aussage zu einem Ganzen gefügt. Der Liederzyklus ringt um eine verbindliche Antwort auf die schon vom heiligen Gregor von Nazianz gestellte Frage. Texte und Musik streben, durch die Mittel musikalischer Steigerung in Spannung gehalten, zum siegesgewissen Ausdruck des Christen: „Gottes Bild bin ich“ und „Der große Gott dich gänzlich zu sich reißt!“.

Das Quintett hat fünf Sätze. Die Flöte bleibt mit ihrer dominanten Aussage den anderen Instrumenten eindeutig überlegen, ohne ihnen jedoch die Möglichkeit motivischer und thematischer Eigenständigkeit zu nehmen. Eine beherrschende, jedenfalls zentrale Stellung nimmt der dritte Satz (Scherzo, allegro vivo) ein), der den Einfallsreichtum des Komponisten zeigt.

Mit dem Kammeroratorium besingt vor allem der Priester das Wunder des Bußsakramentes. Am Beispiel eines historisch gewordenen Lebens zeigt der Textdichter und Komponist dieses Wunder in seiner letzten Konsequenz auf. Gott gibt dem Menschen die Freiheit, sich für ihn zu entscheiden und an seinem Erlösungswerk teilzuhaben. Napoleon hat gebeichtet, knapp vor seinem Tode zwar, aber immerhin doch, und der Priester spricht aus der ihm übertragenen Autorität heraus das Ego te absolvo. Hitler hat nicht gebeichtet. Welch schriller Gegensatz, wahrlich terribile, wie es in der Partitur geschrieben steht!

Sämtliche Werke, die in diesem Konzert vorgestellt wurden, erweckten einen tiefen Eindruck. Die Künstler haben mit großer Hingabe musiziert. Die Zuhörer dankten ihnen und dem Komponisten mit begeisterten Ovationen. Der Wiener Kammerchor, ein Kammerensemble der Wiener Symphoniker, die Solisten Lilleba Lund — Sopran, Peter Boennecken — Tenor, Dr. Eberhard Kummer — Bariton, Dr. Roman Ortner — Klavier, Roland Knie — Sprecher und Norbert Deininger, Leiter des Kammerchores, hatten zu den Kompositionen ein so echtes Verhältnis gewonnen, daß ihnen die Darstellung überzeugend gelang.

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