Er wird Sie zurückrufen!

Ach, es wäre ja alles so einfach: Man nimmt den Telefonhörer ab, wählt eine Nummer, hat am anderen Ende den gewünschten Partner und bespricht das Allfällige mit ihm - wenn, ja wenn da nicht ein Arbeitsgott die Chefsekretärin davorgesetzt hätte.

Nun hat die natürlich ihre absolute Berechtigung, das ist hier gar nicht das Thema, aber oben genannte Kommunikation verkompliziert sich dadurch in verschiedenen Variationen.

Variation 1: ,JDer lebende Anrufbeantworter“ Sie behauptet, er (= Chef) wäre nicht anwesend. Hinterläßt man dann Rufnummer mit Doktortitel, kommt der Bescheid: „Er ruft Sie dann so schnell wie möglich zurück.“ Geschieht selbiges gleich in den nächsten fünf Minuten, so ist die Taktik natürlich rasch durchschaut. Darum merke: Eine halbe Stunde sollte man schon vergehen lassen!

Zu dieser Variation gibt es ganz vife Damen, die haben sogar eine Liste vom Chef vorliegen, wo dieser gerade sein könnte. Vereinfachen ließe sich diese Prozedur, wenn allen Telefonpartnern auch eine Kopie dieser Liste zur Verfügung stünde.

Variation 2: ,Der gut dressierte Vorzimmerdrachen“

Diese Bezeichnung ist nicht abwertend gemeint, im Gegenteil: auch ich käme ohne solch ein unschätzbar wertvolles Exemplar nicht aus, das Leuten mit Vorwurf in der tiefen Stimme ein schlechtes Gewissen verschafft, wieso sie gerade jetzt anrufen können?!

Der gefürchtete Satz jener Damen, der mich regelmäßig zusammenzucken läßt, lautet: „Worum geht’s denn?“ Nun aber aufgepaßt: Bei patzigen Antworten wie „Das hätte ich Ihrem Chef gerne selbst ohne Umwege erläutert“, haben Sie die Runde schon verloren und kommen nie ans Ziel.

Besser ist da schon der Trick mit der Entrüstung in der Stimme: „Aber ich sollte doch Ihren Chef zurückrufen.“ Auch hier walte Vorsicht: Manche Chefsekretärinnen sind besser über ihre Chefs informiert als diese selbst.

Variation 3: „Das entwaffnende Bollwerk“ Dies ist die Steigerung und Perfektionierung von Variation 2.

Hier helfen weder List noch Tük- ke, Doktortitel oder gute Beziehungen, an diesem Exemplar scheitert jeder - aber von welch hartnäckigem Charme entwaffnet!

Das imponierendste Beispiel jener Gattung war und ist für mich die Chefsekretärin eines Verlages. Bei ihr kam žu dem berüchtigten oben genannten Satz noch der besorgte Zusatz hinzu: „Aber vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen?“

Die ersten drei Male war ich mir des Ernstes der Lage nicht bewußt und lehnte ihr, wie ich glaubte, nur höfliches Ansinnen dankend ab mit der Bemerkung, ich würde es halt ein andermal wieder versuchen.

Bis ich beim vierten Mal ihr Angebot aus schierer Verzweiflung ob des drohenden Zeitdrucks ernst nahm — und siehe da: Dieses Prachtexemplar konnte mir weiterhelfen! Als ich meine Notlage schilderte, rief sie aus: „Aber da ist mein Chef ja der ganz Falsche, passen Sie auf, Sie müssen sich an den und den wenden.“ Und es funktionierte.

Lösung für alle drei Variationen bietet der Wettlauf zweier gleichberechtigter Büro-Herrscherinnen.

Ich entdecke es ungern, aber in allen Fällen hilft nur eines: Gleich die betreffenden Damen „aufein- anderhetzen“. Ich greife wirklich nicht gern zu diesem Mittel, denn ich bin ein ungeduldiger Mensch, aber manchmal bleibt einem nichts anderes übrig, als solche Stellvertreterkriege zu führen.

Die Damen selbst arrangieren sich ja viel lässiger untereinander und sprechen sich so ab, daß keiner ihrer Chefs das Gesicht verliert.

Das läuft dann so ab: „Frau G., bitte verbinden Sie mich doch mit Dr. XY.“ Dann geschieht lange nichts - und einmal habe ich heimlich an der Tür zum Sekretariat gelauscht, wie meine Perle das so macht. Frau G. zu ihrer unsichtbaren Partnerin am Ende der Leitung: „Also, Uhrenvergleich: 11 Uhr 49 und 52 Sekunden - jawohl, abgemacht, bei drei gleichzeitig—eins, zwei, drei“ ... Knall!

Ich wetze zum Hörer und habe Dr. XY direkt daran! Und hier schließt sich der Kreis. Alles wäre eigentlich sooo einfach, wenn —' siehe oben.