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„Es gibt nichts Schlechtes, was nicht auch gute Seiten hätte"
Er bastelt im Haushalt herum, erfreut sich an den Symphonien Gustav Mahlers und liest die alten Kirchenväter - Ernst Wolfram Marboe entdeckt die angenehmen Seiten seiner Abwahl.
Er bastelt im Haushalt herum, erfreut sich an den Symphonien Gustav Mahlers und liest die alten Kirchenväter - Ernst Wolfram Marboe entdeckt die angenehmen Seiten seiner Abwahl.
Es gibt nichts Schlechtes, was nicht auch seine guten Seiten hätte, meint Ernst Wolfram Marboe, und lehnt sich entspannt zurück. Seit seiner Abwahl als Programmintendant am 17.. September habe er „viel Gutes erfahren dürfen. Das trägt zu einem Gefühl der Freude und des Beglücktseins bei, weil es eben nicht so ist, daß mich jetzt niemand mehr kennen will. Das Gegenteil ist der Fall - ich werde überhäuft mit Briefen, Anrufen und Besuchen. Vielleicht ist das der Ausgleich dafür, daß ich für andere Dinge, für'die ich mich zerspragelt habe, weniger Lob bekommen habe."
Marboe ist sich des Paradoxen der Situation bewußt: „Irgendwie nehme ich an meinem eigenen Begräbnis teil. Ich sehe zu, wie man mir Kränze flicht und wie man mir Flüche ins Grab nachschickt. Ich nehme Kondulenzen entgegen, was übrigens auch sehr anstrengend ist, und ich muß auch mitansehen, wie Wiederbelebungsversuche gemacht werden. Das alles ist für eine Leiche sehr interessant, aber auch sehr strapaziös. Nicht gern hätte ich, daß ich einbalsamiert werde."
Einen „Blick zurück im Zorn" auf den Küniglberg werfe er nicht, beteuert der ehemalige Programmintendant. Dazu habe er dem ORF zuviel zu verdanken und dazu gebe es nach wie vor zu viele freundschaftliche Kontakte.
Angesprochen auf die Zukunft seiner medialen Lieblingsschöpfung, „Licht ins Dunkel", wird Marboe
emotional: „Ich bitte alle, die damit befaßt sind, daß das ganze nicht auf Kosten der behinderten Kinder geht. Weil die können ja nichts für die Geschäfte dieser Welt. Das einzig Wichtige ist, daß alles nur Mögliche für die behinderten Kinder getan wird. Und da soll man nicht fragen, durch wen diese Hilfe zustande kommt und wie."
Ein von Generalintendant Gerd Bacher angekündigter Anru£ wonach er auch heuer wieder „Licht ins Dunkel" moderieren soll, habe ihn noch nicht ereilt, berichtet Marboe. Sollte ihn Bacher doch noch bitten, so werde er sich seine Antwort gut überlegen.
. Angesprochen auf den Schulterschluß von SPÖ, FPÖ und Grünen bei seiner Abwahl durch das ORF-
Kuratorium, kommt Marboe - trotz aller Gelassenheit — dennoch ins Grübeln: „Ein fast einmaliges Phänomen. Als Katholik glaube ich daran, daß nichts verborgen bleibt. Eines schönen Tages werden diese interessanten Konstellationen sicher verständlicher werden."
Was ÖVP-Mitglied und CVer Marboe nach 15 Jahren als ORF-Intendant mit dem Satz „Gott schütze mich vor meinen Freunden" assoziiert? - „Diesen Satz würde ich nicht sagen. Ich sage nur, Gott schütze mich vor meinen ehemaligen Freunden. Und Gott erhalte die vielen guten Freunde, die ich habe."
Stichwort ÖVP: Trotz allgemeiner Parteienverdrossenheit plädiert Marboe für ein klares politisches Bekenntnis. „In meiner Familie hat es
eher die Tendenz gegeben, nicht zu einer Partei zu gehen. Mein Bruder (Peter, Anm. d. Red.) war, als er Bundesgeschäftsführer der ÖVP wurde, nicht Parteimitglied. Auch ich war lange Zeit kein ÖVP-Mitglied. Ich sage heute, daß ich meine Meinung revidiere."
Marboes Begründung: Als einzelner könne man in einer Demokratie nicht viel bewirken. Eine Demokratie ohne Parteien, Verbände, Vereine sei daher nicht denkbar, weil nur durch Dialog Demokratie entsteht: „Es gibt auch eine Partei der Parteilosen. Wenn ich aber nie weiß, mit wem ich es zu tun habe, dann kommt es zu Geheimbünden, zu irregulären Verhältnissen. Und das führt zum Chaos, zu Anarchie und Diktatur."
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