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FILM

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Vor zwei Wochen schrieb ich anläßlich der österreichischen Erstaufführung von Jan Troells Film „Die Emigranten”, daß man nach diesem großen Epos dem zweiten Teil „Das neue Land.” mit Zuversicht entgegensehen könne. Nun ist zu registrieren, daß hier der ganz seltene Fall einer Fortsetzung vorliegt, die den ersten Teil klar übertrifft, und das war bei dessen Qualität wahrlich kein Leichtes.

„Das neue Land” schildert also das Geschick der um 1850 von Schweden nach den USA ausge- wanderten Familie Nilsson in der neuen Heimat. Die Ernüchterung, die schon die Ankunft am Ende des ersten Teils bringt, setzt sich hier in Mühen, Enttäuschungen und Bedrohungen fort. Nur sehr langsam kann der Bauer Karl Oskar Nilsson die Lebensbedingungen seiner Familie, die sich um ein weiteres Kind vergrößert hat, verbessern. Allmählich kann die Behelfshütte der „Pionierzeit” einem stattlichen Haus weichen, eine Scheune wird dazugebaut, Vieh erworben. Nach Jahren kommt Karl Oskars jüngerer Bruder von seinem ergebnislosen Goldsucherabenteuer zurück, bereits schwer von Krankheit gezeichnet. Er provoziert unbedacht einen Konflikt mit benachbarten Indianern, der sich erst später bitter niederschlägt. Glaubensfanatiker bringen Zwietracht unter die schwedischen Emigranten, der Sezessionskrieg greift in das Leben der Siedler, Karl Oskar wül sich aus Verantwortungsgefühl freiwillig zur Armee melden, wird jedoch wegen eines körperlichen Gebrechens nicht behalten. Seine Gattin Kristina nimmt, obzwar sie weiß, daß jede weitere Mutterschaft für sie tödlich sein kann, das volle Eheleben mit ihrem Mann im Vertrauen auf Gottes Fügung wieder auf, stirbt aber schließlich an einer Fehlgeburt. Und schließlich bricht der Indianerüberfall herein, der eine drakonische Vergeltungsaktion auslöst.

„Das neue Land” ist zwar noch etwas länger als „Die Emigranten”, hält jedoch über mehr als zweieinhalb Stunden eine geradezu atemberaubende künstlerische Kraft und Spannung durch. Dabei sind alle szenischen Effekte, die sich aus dem packenden Geschehen ergeben könnten, diskret ausgeklammert, wie am besten die Szenen des Indianerüberfalls und seiner bittern Konsequenzen zeigen. Ein Meisterstück besonderer Art sind die Rückblenden auf Roberts qualvolles Goldsucherabenteuer, wobei Troells Kamera ihre volle, faszinierende Meisterschaft erreicht. Auch ohne aufgepfropfte Dramatik ist der Film voller menschlicher Höhepunkte, am stärksten in den Beziehungen zwischen den beiden Ehepartnern, die inLiv Ullman und Max von Sydow großartige Interpreten finden, wobei der junge Eddie Axberg (Robert) den beiden Schwedenstars schon um nichts mehr nachsteht. Insgesamt ein Film, dessen Erzählrhythmus man sich mit Begeisterung hingibt, eine Sternstunde der „siebenten Kunst”.

Daß zweite Teile aber auch ganz anders sein können, beweist die Fortsetzung von Bernardo Bertoluccis „1900”. Zwischen den am gleichen Tag geborenen Freunden, dem Großgrundbesitzer Alfredo und dem Bauern Olmo, wird die Kluft immer größer, als faschistische Horden, personifiziert in Alfredos Verwalter, einem Kinderschänder und mehrfachen Mörder, wüten. Das Befreiungsjahr 1945 erspart Alfredo gerade noch den Gnadenschuß durch einen „Volksprozeß”. Läßt der Anfang des Films noch einiges an Verdichtung eines Zeitbildes hoffen, so schiebt sich allmählich der Faschismus, reduziert auf eine perverse Mörderbande, in den Vordergrund, während das Ende nur mehr langweilige kommunistische Agitation ist.

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