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Gott und die Welt

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Man kann, wenn man's kann, über alles schreiben, über Gott und die Welt... Genau das probierte ich eben, nämlich eine Abhandlung dieses Titels zu verfassen, als meine Frau nach Hause kam und zu plaudern begann. Meine Gedanken, in die ich versunken war, gestalteten sich gar nicht so komisch wie üblich, sondern tiefernst, philosophisch; dennoch könnte es sein, daß mein Essay von gewissen Einflüssen nicht ganz frei geblieben ist, daß andere Wirklichkeiten in die Wahrheiten meines Manuskriptes eingesickert sind. Ich habe zwar weitergearbeitet und meiner Gattin kaum zugehört, abermein Unterbewußtsein hat mitgeschrieben...

Ich hielt bei folgendem Satz: „Auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten ist es schwierig, auf unser Inneres zu hören..." Hörst du? Ich habe mir ein Dirndl gekauft! Sie hat sich also ein Dirndl gekauft auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten. Ach was, ich gesteh''s dir gleich ein, es waren zwei Dirndln. Wen kümmert's, ich habe mich vertieft. Aber nicht so tief wie der Ausschnitt an meinem Trachtenkleid, in dem ich neulich bei den Navratil...

Nicht hinhören auf die Nichtigkeiten unseres irdischen Daseins, wenn wir uns mit dem Gottesbeweis befassen, den ich Ihnen liefern möchte. Er ist einleuchtend, aber nicht einfach. Den Schöpfer heute noch als alten Herrn mit Bart darzustellen, der auf dem Himmlischen Thron sitzt, ist zu billig. Aber wie billig, du wirst es gar nicht glauben, Liebling. Und Prozente habe ich auch bekommen!

Wir sollten uns nicht sträuben gegen die Erkenntnis, daß wir Menschen ganz, ganz kleine Wesen sind, ganz, ganz kleine Blumenmuster an den Armein, Margeriten in zarten Pastellfarben, himmlisch sage ich dir!

Nach der femöstlichen Lehre des Buddhismus sind wir alle Teile eines Ganzen, Teile einer allumfassenden Gottheit, Taille ganz eng geknöpft, du weißt, wie das bei Dirndln ist...

Und die Welt? Der Einzelmensch? Schau in den Spiegel! Ich schau in den Spiegel und bemerke, daß der so geschliffen ist, daß man schlanker ausschaut, also Geschäftsmethoden sind das...

Tröstlich ist es zu wissen, daß der Tod nicht das Ende ist. Die Reinkar-nationstheorie verspricht uns Wiedergeburt auf Erden, die christlichen Religionen verheißen uns das Paradies, das Himmelreich; jedenfalls haben wir etwas vor uns, eine Schürze, stell dir vor, aus dem gleichen Mousseline wie die Ärmel...

Ich liefere Ihnen den Gottesbeweis nach, ich erwähnte ja eingangs, es ist nicht einfach, es ist ein Stoff, der Bibliotheken füllt, kein üblicher Dirndlstoff, der aufträgt, sondern der Rock ist aus Krepp und die Unterrockspitzen schauen drei Zentimeter hervor und am Oberteil sind Bordüren appliziert.

Der Herr verzeihe mir, das Weib hat gesiegt. Ich geb's auf... Halleluja und holladrio!

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