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Im verlorenen Paradies

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Landschaft und Baukunst haben Salzburg gleichermaßen bekannt und berühmt gemacht; Bettina von Arnim schrieb 1810 an Goethe: "Wie kann ich Dir nur von diesem Reichtum erzählen, der sich vor ims ausbreitet, wo sich der Vorhang allmählich vor Gottes Herr-Uchkeit teilet und wo an sich nur verwundert, daß alles so einfach ist in seiner Größe!". Bernhard Paum-gartner, der frühere Salzburger Festspielpräsident, stellt dieses

Brie^tat einem Kapitel seines Salzburg-Buches voran, in dem er sich mit der Landschaft beschäftigt. Nun weiß man auch vieles von der Landschaftsmalerei - vieles, allzu vieles von hoher Qualität kannte man nicht.

Der Direktor des Salzburger Dommuseums, Prälat Johannes Neuhardt, hat für die 13. Sonderschau des Dommuseums etwa 250 Gemälde aus Privatbesitz erstmals präsentiert: Vom Klassizismus über die Romantik zum biedermeierU-chenundmalerischenRealismus bis hin zu jenen bereits von Camillė Corot inspirierten Arbeiten des objektiven Realismus findet sich eine breite Auswahl zumeist hervorragender Landschaften, die allesamt Salzburg - die Stadt, ihre Umgebung und das Land - als ein verlorenes Paradies zeigen, jenes, das Bettina von Arnim schildert, das Franz Schubert seinem Bmder Ferdinand beschreibt und von dem der Arzt Ludwig Hermann Friedländer in seinen Reisebriefen schwärmt, als er mit seinem Freund, dem Maler Ferdinand Ohvier, Salzburg besuchte.

Der Klassizismus stellt die Landschaft vor allem um ihrer selbst willen dar. Salzburg ist in dieser Epoche der Malerei besonders reich vertreten mit Andreas Nesselthaler, dem letzten Hofmaler Fürst-Erzbi-schof CoUoredos, vor allem aber mit den VedutenFranz Caudgs, der 1819 nüt Peter de Nobile in Salzburg reiste, wo an die 60 Blätter entstanden. Der Meister des Lavierens war zudem ein Mann von großer Genauigkeit; seine Arbeiten werden allein schon wegen der topographischen Präzision geschätzt. Das Umfeld der damaUgen Stadt, das äußere Nonntal, die Loiger Felder während der Ausgrabungen der römischen Mosaiken oder dbs noch miteinemNotdach versehene Schloß Mirabell nach der Brandkatastrophe 1818 sind von ihm festgehalten worden.

Die Künstler der Romantik zog das spezifisch Katholische nach Salzburg: Kirchen, Klöster, Friedhöfe, eingerahmt, eingefangen, beherrscht im weiteren Umfeld von Gebirgsketten; wenn man will, eine Renaissance oder ein - letztes? -Aufflackern jenes Weltbildes, das die Ordnung als bestimmendes Element empfunden hat.

Michael Sattlers "Blick vom Kapuzinerberg auf die linke Altstadt", der um 1825 entstanden ist, gut als Hauptwerk der Epoche des biedermeierlichen Realismus; ihm gesellten sich noch Friedrich Loos und Johann Fischbach hinzu, die eine typisch österreichische Form des Realismus vertreten, wie Neuhardt schreibt.

Der einzige gebürtige Salzburger nun, der in beiden Hälften des 19. Jahrhunderts als Maler in Salzburg eine Rolle spielte, ist der 1810 geborene Georg Pezolt, der sein Auge in Italien schulte und sich schließlich 1843 wieder in Salzburg niederließ.

Was die Produktivität angeht, findet man in Josef Mayburger (gest. 1908) einen Mann, der so etwas wie der Vorläufer der phantastischen Realisten wurde. Seine Meisterschaft unwirklicher Stimmungen -er bevorzugt den Abend -, die Idyllen in der Heilbrunner Allee mit einer Viehherde, die scharf ins Visier genommenen Berge in weiterer Entfemung gemahnen, wenn auch die Palette ganz andere Farben beinhaltet, an die Wiener Schule des phantastischen Realismus.

Mit Franz Hinterholzer schließlich endet der große Reigen jener Maler, die die Landschaft eben Landschaft sein ließen, die das Leben im Moment wie in der Dauer festhielten, die, literarisch gesprochen, Epiker wie Lyriker waren und dem heutigen Betrachter ein Salzburgvorführen, dessenKulissenund Versatzstücke endgültig verloren undiVertan sind. Das Weichbild der Stadt und so mancher Ort auf dem Lande, wie sie in großen und kleinen Ansichten in den Oratorien des Doms präsentiert werden, haben das ursprünglich Unverwechselbare aufgegeben. Keine Frage, daß eine Stadt ebenso lebt und leben muß wie das Dorf, daß mehr Menschen Platz brauchen und dennoch verbleibt der Eindruck eines verlorenen Paradieses.

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