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Kantate „An die Nachgeborenen“

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Die Auswahl der Texte zu dieser Kantate hätte nicht besser sein können und erweist einmal mehr den geistigen Horizont und die Belesenheit des Komponisten Gottfried^von Einem. Zwei Psalmenfragmente (aus dem 90. und dem 121.) flankieren das aus sieben Vokalstücken und zwei Zwischenspielen bestehende Werk von etwa 50 Minuten Dauer, das am vergangenen Sonntag-Abend im Großen Musikvereinssaal anläßlich des österreichischen Nationalfeier-tages seine europäische Erstaufführung erlebte. Carlo Maria Giulini, die Symphoniker, der Singverein und die Solisten Julia Hamar, Alt, und Tom Krause, Bariton, waren die Ausführenden. Im Zentrum steht Brechts einzigartiges Gedicht „An die Nachgeborenen“, das wir bald einmal in unseren „Literarischen Blättern“ wiedergeben werden. Es wird „eingerahmt“ von je einem Chorlied des Sophokles und zwei Hölderlin-Texten („Geh unter, schöne Sonne“ und „Komm und besänftige mir...“).

Sehr eindrucksvoll ist gleich der erste, volle 10 Minuten dauernde Psalm mit seinen Anklängen an den protestantischen Choral und Honeg-ger-artigen motorischen Rhythmen. Imposanten melodischen Einfall und rhythmischen Impetus zeigt auch das unmittelbar anschließende Chorlied aus „Antigone“, mit dem Höhepunkt: „Allbewandert, unbewandert. Zu nichts kommt er. Überall weiß er Rat, ratlos trifft ihn niohts. Der Toten künftigen Ort nur zu fliehen weiß er nicht!“ Und zum Schluß: „Menschliches achtet er für nichts. So, ungeheuer wird er sich selbst“ (in Hölderlins Übertragung). — Nach einem besonders schönen Bariton-Solo hat Einem — und das versteht man nicht ganz — das so typisch „männliche“ Gedicht Brechts „An die Nachgeborenen“ der Altstimme übergeben („Ich vermochte nur wenig. Aber die Herrschenden saßen ohne mich sicherer, das hoffte ich“ und, nach der Schilderung der Greuel und Schwierigkeiten dieser unserer Zeit, die Mahnung an die Nachgeborenen: „Ihr aber... gedenket unser mit Nachsicht!“

Einem, mit seiner so charakteristischen, streng diatonischen Tonsprache, seinen rhythmischen Akzentuierungen und den ff-Tutti-sphlägen,;, des, Orchesters. . hat hier sein Bestes gegeben und .alle Ausführenden desgleichen. — Minutenlanger stürmischer Beifall. (Den zweiten Teil des Konzertes bildete Beethovens Siebente.)

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