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Mein Freund, das Sprachgenie

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Er ist ein Intellektueller aus Budapest, zugleich typisch und eine Ausnahme. Er beherrscht tatsächlich eine Reihe von Weltsprachen, darunter auch Deutsch, und er spricht sie wirklich fließend - nur denkt er Ungarisch. Was dabei herauskommt, kann ich Ihnen leider nur zu 50 Prozent nacherzählen.

Zur einen Hälfte müßte ich Sie nämlich mit ausschweifenden Erklärungen belasten, wie dies oder jenes auf Ungarisch ausgedrückt wird, das dann mein Freund wortwörtlich übersetzt. Doch der Teil, bei dem er zwar mit eiserner Logik kombiniert, aber mangels Praxis eine falsche Bedeutung hervorruft, ist auch nicht ohne. Und verwechselte Präpositionen oder Austausch von Begriffen sind schließlich auch nicht ganz unverständlich.

Neulich war er wieder einmal zu Besuch in Wien. Bei dieser Gelegenheit haben wir folgendes Gespräch geführt.

Naja, mag sein, daß es nicht wortwörtlich so abgelaufen ist; ich könnte mir vorstellen, daß der Humorist in mir hie und da etwas verbessert oder verhunzt hat. Aber im großen und ganzen war es folgender Dialog. In etwa.

„Wie geht es dir, Tibor?”

„Danke für deine Erkundigung. Ich habe gehabt ein Unfall, kurz vor meine Abreise, bei der Packung von meine Koffer. Ich habe gestolpert und habe gefallen. Dabei nicht nur Fuß verstaut, sondern auch Arm erbrochen. Deshalb bin ich eingegipsiert.”

Ich beteuere, wie leid er mir tut, und biete ihm eine Zigarette an.

„Darf man hier rauchen?”, fragt er. „Ich habe gehört, eure Gesundheitsministrant läßt Raucher behalten und in Erker werfen.”

„So schlimm ist es nicht”, beruhige ich ihn.

„Ich rauche sowieso nur Filterzigarette, mit Vormundstück. Möchte mir abwohnen, weil zu teuer. Bei uns ist alles immer mehr teuer. Alte Leute können nix kaufen. Regierung sollte Renten aufheben und Lebensmittelpreise erniedrigen. Übrigens: ich möchte in Österreich einige Sachen kaufen, aber dazu will ich Raten von dir einholen.”

„Ich werde dir gern Ratschläge geben.”

„Wann euch wieder nach Budapest kommt, trage ich dich mit deine Lebensgefährt in ein gutes Restaurant mit Zigeunermusik. Du weißt, Folklore und so. Wie sagt man? Eine trächtige Kapelle. Sie spielen ein bißchen laut, aber ich kenne den Chefprimas, ich kann das Orchester stillen.” Und so weiter in dieser Art. Tibor leugnet j a nicht, daß er ein Ungar ist. Er will es ganz präzise ausdrücken und informiert sich bei mir:

„Wie sagt man richtig: ich bin ungarischer Abstimmung oder ungarischer Ankunft?”

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