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Meine Autobiographie
Immer wenn ich meinen Paß verlängern muß, spiele ich mit dem Gedanken, in der betreffenden Rubrik anzugeben, womit man eigentlich nicht angibt: „Besondere Kennzeichen: kein Autofahrer.” Sowas von Antita-lent gibt es einmal unter Millionen, nämlich mich. Der Fahrschulbesitzer weinte sich an der Schulter meines Fahrlehrers aus, als ich nach der 77. Stunde das Handtuch warf und den mir abgebrochenen Schaltknüppel gleich hinterher. Das passierte bei einem Übungsflug auf der Mariahil-ferstraße.
Ich fuhr immer diszipliniert in der Fahrbahnmitte, weil ich kein Gefühl für Abstände zum Gehsteig oder einem feindlichen Straßenverkehrsteilnehmer besaß, neben mir der Lehrer. Ich näherte mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Pferdestärken einer Ecke mit einer Ampel, die gerade auf Rot, Grün oder Gelb schaltete, keine Ahnung, ich konnte sie nicht beachten, da eben ein alter Mann die Straße vor uns überquerte.
Ich darf mich einer schnellen Reaktionsfähigkeit rühmen - im Bruchteil einer Sekunde rief ich: „O je!” Die Lehrperson erwies sich nicht so überlegen, sie war sichtlich nervös und trat mit voller Wucht auf ein Pedal, es mag die Kupplung oder die Bremse oder ein zweites Gaspedal gewesen sein, bei dem allerdings das Gas abgedreht worden sein dürfte, denn der Wagen blieb mit einem derartigen Ruck stehen, daß ich zwar im Wagen blieb, aber mein Magen stieg aus.
Autofahren kamen mir die besten schriftstellerischen Einfälle. Da fühlte ich mich ganz frei, schaltete ab, zuweilen auch den richtigen Gang, vergaß alles um mich herum und... Naja, eine nicht ins Gewicht fallende Anzahl von Fußgängern wäre vermutlich unter meine Räder gekommen, und das soll ungesund sein. Nicht nur für meine vermeintlichen Opfer, sondern auch für das eigene Gewissen, wie Sie wissen.
Der technische Lehrstoff ging mir schon gar nicht in den Verteilerkopf. Differenzial blieb für mich eine Rechnung; Zündkerzen, so dachte ich, müsse man erst in der Dämmerung anzünden; mit Zylindern hatte ich nichts zu tun, denn die sind etwas für ganz vornehme Autos; und die Selbst-fahrereinrichtung fand ich nicht, obwohl ich schon von einer solchen gehört hatte. Ich glaube, sie heißt Autodidakt. Es war mir klar, daß erst ein Auto Autorität verschafft, aber die Autokunde stellte für mich eine Grenzwissenschaft dar, die sich mit einer anderen Welt befaßt wie PSI. Autopsie.
Also bleibe ich ein Nichtautofahrer ohne Parkplatzsorgen und, wie ich in den letzten Jahren erfahren habe, mit Umweltbewußtsein. Als solcher bin ich nicht allein. Ein Großteil jener, die sich hinter das Lenkrad setzen und losbrausen, sind auch keine Autofahrer. Sie haben es nur noch nicht gemerkt.
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