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Digital In Arbeit

Meine Bank liebt mich

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Ich bin ein Seminar-Freak. Ich liebe Weiterbildung und nehme jede Gelegenheit wahr, an meiner Rhetorik zu feilen, allgemeine Geschichtskenntnisse aufzufrischen, schneller denken zu lernen, sogar über Berufsethik zu diskutieren — und was der derzeitige Markt so alles anbietet.

Neulich aber habe ich danebengelangt. Dabei hotte sich das Thema so unverfänglich an: „Streßbewältigung“. Nun bin ich zwar der Meinung, daß ich selbst kein Seminar zur Bewältigung von Streß brauche, sondern eher die Leute im Umgang mit mir, aber mein Göttergatte überredete mich dazu.

Als Streßbewältigungslaie stellte ich mir naiv vor, daß ich nun systematische Checklisten und Zeitsystemeinteilungen lernen würde, was man immer gebrauchen könne. Aber weit gefehlt! Als erstes monierte der Seminarleiter, daß wir Damen uns doch erdreisteten im Rock zu kommen, wo doch Atemübungen auf der Bodenmatte angesagt waren als einer der Hauptteile des Seminars. Das war nun nicht vorauszusehen bei dem seriösen Firmennamen des Weiterbildungsveranstalters, der übrigens für namhafte Industriefirmen tätig ist.

Nun ja, so Entspannungsübungen üben ist ja nie verkehrt, dachte ich mir und strengte mich an. Doch nicht genug der Entspannung, als nächstes kramte der junge Soziopädagoge oder Päda-soziologe für uns Teilnehmer Kopfhörer heraus und schloß uns alle an eine Toncassette der neuen „New-Wave“-Welle an. Geballte Esoterik schlug da auf uns ein!

Zuerst erzählte der Sprecher mit sonorer Predigerstimme etwas von den zwei verschiedenen Gehirnhälften, der linken analytischen und der rechten kreativen, und da bei den meisten Menschen nur die analytische zum Zuge käme, solle uns nun mit Hilfe des Bandes zu „ungewöhnlichen Ausbrüchen kreativer Energie“ ver-holfen werden. Dazu müsse man erstmal die Kopfhörer richtig herum aufsetzen.

Los ging's dann mit äußerst schlecht nachgeahmtem Meeresrauschen — ich hatte Assoziationen eines Uralt-Staubsaugers oder eines Flugzeugtriebwerkes kurz vor dem Start. Letzteres war

mir mit meiner sprichwörtlichen Flugangst besonders unangenehm.

Aber erst der Text des Predigers machte mich völlig fertig: Mittendrin sollte ich auf einmal meinen Eltern vergeben „für alle negativen Taten mir gegenüber“ -da nahm ich aus Protest schon mal die Kopfhörer ab und funkelte den Seminarleiter an, der aber völlig entspannt mit geschlossenen Augen sich diesem Band hingab: Meine Eltern konnten gar keine Fehler mir gegenüber begangen haben, wenn man bedenkt, was aus mir schließlich geworden ist!

Aber nicht genug damit. In schwülstigem Pathos suggerierte, beziehungsweise wollte mir die Stimme suggerieren, daß ich .Ammer, wenn ich tapes höre, Quantensprünge in meinem Leben mache!“ Der Seminarleiter informierte uns hinterher, daß dieses Band für knapp eintausend Schilling zu kaufen wäre — meiner Meinung nach macht da jemand ganz anderer Quantensprünge.

Alles gipfelte aber in dem einen Satz: „Meine Bank liebt und unterstützt mich“. Ich dachte an die Zinsen bei Uberziehung meines Gehaltskontos, totaler Streß brach bei mir aus, und ich wechselte heimlich die Kopfhörer aus, jawohl. Schließlich lasse ich mich nicht manipulieren, wenn, dann bin ich es, die manipuliert!

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