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Neue Lieder, altes Requiem

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Zu einem Liederabend heimischer, zeitgenössischer Komponisten hatte der ORF gemeinsam mit dem „österreichischen Komponistenbund“ im großen Sendesaal eingeladen; die in das Programm aufgenommenen Tonsetzer gehörten den Jahrgängen 1902 bis 1916 an. Vertreten waren verschiedenste Richtungen, vom teilweise noch traditionsgebundenen Stil bis zum letzten Ausläufer der Avantgarde, was von den Hörern demgemäß verschieden graduierte Aufnahmebereitschaft forderte. — Am besten schnitten Manfred, Nedbal, Ernst Ludwig Uray und der leider so früh verstorbene Karl Schiske ab, letzterer mit einem seiner noch nicht der Seriel-lität zugehörigen Frühwerk. Vorzüglich versteht Gottfried von Einem seine Hörerschaft mit seiner gemäßigt-modernen Schreibweise zu gewinnen, ohne der Avantgarde, wohl aber der Popularität Tribut zu erweisen. Einigen Erfolg brachten Helmut Eder seine mit Witz garnierten Tierlieder. Weitere Lieder stellten Richard Winter und Robert Schollum bei, dessen Zyklus „Alltag und Augen“ sich wohl als das schwierigste Produkt des Abends erwies. Größtes Lob verdient die hohe Musikalität der Solisten Ellen Klein und Ladislav Illavsky sowie des vorzüglichen Flügelmannes Kurt Rapf. Der Beifall im erschreckend leeren Saal hielt sich in bescheidenen Grenzen.

Die Italiener Verdi, Cherubini und Sgambati haben jeder ein Requiem geschrieben, ebenso die deutschsprachigen Komponisten Mozart und Brahms; sie alle erflehen und suchen in ihren Totenmessen „requiem aeternam“, nur in verschiedenem Ausdruck. Bei Verdi tritt er fordernder, theatralischer und opernhaf-ter hervor als bei Cherubini, dessen Dramatik sich am stärksten im „Dies irae“ ausprägt und einzig und allein dem Chor anvertraut ist. Reich bedacht ist das von Schumann als einzigartig bezeichnete Werk mit zart-ruhigen Stellen in den einzelnen Sätzen, so besonders im „Agnus dei“.

Verdis „Quattro pezzi sacri“ sind als Schöpfung einer großen Komponistenseele aufzufassen, erst in zweiter Linie — und auch da nur vielleicht — als Werk eines gläubigen Religiösen, wenn auch manche Anzeichen für diese Annahme sprechen. Das „Ave Maria“ und die „Laudi alla vergine“ für vierstimmigen A-capella-Frauenchor entsprang aber rein künstlerischen Interessen des Meisters, nämlich dem Anreiz zu kontrapunktischen Künsten, beziehungsweise seiner Beschäftigung mit Dantes „Paradiso“. Die glänzend einstudierte Singakademie, verstärkt durch den Wiener Kammerchor, er-sang sich einen ganz großen Erfolg, nur einige kleine Intonationstrübungen der absinkenden Sopranstimmen störten die Vollkommenheit; die Wiener Symphoniker erspielten ein hohes Aufführungsniveau, für dessen Erreichung der junge Sizilianer Gaetano Delogu seine ihm fraglos zuzusprechende exzellente Dirigentenbegabung einsetzte.

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