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Rosen, Läuse, Illusionen

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Sie blühten nur einen Sommer. Geblieben sind einige kahle Strünke, dazu Fläschchen und Schächtelchen voller Tinkturen und Pillen sowie eine reiche Fachbibliothek über Balkongärtnerei. Einen Sommer lang haben uns die bescheidenen paar Rosen ganz hübsch in Trab gehalten. Ehre ihrem Gedenken!

Balkongärtnerei ist ein Laster, dem man mit Vernunftargumenten nicht begegnen kann. Als meine Frau die ersten Pläne für die Ausgestaltung unseres bescheidenen Balkons entwickelte, dürfte ihr eine Anlage etwa in der Art des Parks von Schönbrvmn vorgeschwebt sein.

Wir bestellten eine maßgerechte Blechwanne, in der sich künftig

alles Sprießen und Wachsen entfalten sollte. Ich hätte sie beim Spengler mit dem Auto abholen und heimfahren sollen. Als ich das blecherne Gebilde von den Ausmaßen eines kleinen Swimming-pools erblickte, verließ mich der Mut. Zwar hätte man leicht meinen Wagen in der Wanne unterbringen körinen, aber gewiß nicht umgekehrt. Eine Speditionsfirma besorgte dann die Zustellung. Gegen eine geringe Gebühr.

Sobald das blecherne Monstrum seinen Platz gefunden hatte, sah der Balkon gleich ein wenig kleiner aus. Meine Frau meinte, das liege nur daran, daß der Kübel noch leer sei. Er schreie nach Erde - nach 600 Kilogramm Erde, wie sich später herausstellte.

Ein Gärtner verhieß uns - gegen eine.geringe Gebühr - reinsten fettschwarzen Humus. Irgendwie muß er sich dann vergriffen haben, denn was er lieferte, war eine Art Engerling-Konserve. Zum Glück war das blecherne Ungetüm erst halb voll. Was ihm noch an Erdreich fehlte, brachten wir kübelweise von unseren Waldausflügen heim. Dies war der billigste Teil des Unternehmens.

Ein freundlicher Kaufmann empfahl uns, VoUhumon in die Blumenerde zu mischen. Gegen eine geringe Gebühr überließ er uns einige Säcke davon—handlich verpackt, die Emballage hatte, wie darauf vermerkt stand, sogar einen Staatspreis erhalten. So betätigte ich mich als Staatspreisträger, als VoUhumoniker im Dienst unserer gefräßigen Wanne. Stolz blickten wir auf die eigene Erde, rührten kräftig darin um, was uns an den Rand eines Band-

scheibenschadens brachte. Eigentlich fehlten jetzt nur noch die Blumen.

Unser freundlicher Engerlinglieferant brachte sie uns ins Haus — gegen eine geringe Gebühr selbstverständlich. Laut Prospekt erwartete uns eine üppige Pracht von samtroten und teegelben Rosen. Meine vorsichtig gewordene Frau meinte ganz richtig, ein

Blechkübel sei kein Naturgarten, und man müsse dem Wachstum nachhelfen.

Die kleine Fachbibliothek, die sie sich inzwischen angelegt hatte, bot wertvolle Hinweise, was alles man an Pillen in den Boden stekken oder dem Gießwasser zusetzen könnte. Die Bedenken eines befreundeten Architekten, unser so emsig begossenes Erdreich könnte so schwer werden, daß Risse im Balkon aufträten, erwie-

sen sich zum Glück als unbegründet.

Daß andernorts schon Rosen blühten, sich bei uns aber nur dürftige Knospen zeigten, brachte meine Frau nicht aus der Fassung. Chemische Düngung sei nun einmal nicht das Richtige, wir brauchten Naturdünger. Zu diesem Zweck versicherten wir uns der Mithilfe eines befreundeten

Pferdes. Aber an heißen Sommertagen roch es nun auf unserem Balkon ganz gewiß nicht nach Rosen.

Bald öffnete sich eine schüchterne Knospe. Zwar nicht in den Prospektfarben samtrot und teegelb, sondern in einem verwachsenen Rosa, doch hatte sie ohnehin kein langes Leben. Die schwarzen Punkte, die unsere Pflanzen übersäten, erwiesen sich insoferne nicht als Relikte eines

Sprühmittels, als sie auf den Blättern herumkrochen. Unsere Fachliteratur wies sie eindeutig als Rosenläuse aus, offenbar auch sie eine Gabe des Engerlinglieferanten. Aber unsere Bücher wußten auch Mittel gegen diese Plage - wir erstanden sie alle.

Unseren Rosenläusen schienen sie gut zu tun. Doch wäre es ungerecht zu verhehlen, daß sich hie und da auch eine Blüte öffnete, allerdings war dies nicht die üppige Pracht, unter deren Schatten wir an Sommertagen einen betörenden Duft hatten einatmen wollen.

Mit Hilfe meines elektronischen Taschenrechners stellte ich eine Kalkulation an. Jede einzelne Rose kam uns auf etwa 400 Schilling. Unser Betrieb war offensichtlich nicht auf Gewinn abgestellt, er war ein Subventionsunt^rneh-men. Für so viel Geld hätten wir ein Abonnement bei einer Blumenhandlung nehmen können und jede Woche einen Strauß Rosen geliefert bekommen, sogar zu Weihnachten. Doch wandte meine Frau mit Recht ein, gekaufte Rosen seien nicht dasselbe wie selbst gezogene, und damit hatte sie leider recht.

Als wir meinten, nun hätten wir die Anfangsschwierigkeiten des großen Blühens hinter uns - da hörte die Pracht einfach auf. Die Rosen nahmen uns mit vollem Recht übel, daß wir einmal vierzehn Tage verreisten. Sie waren hinterher nicht mehr dieselben. Die Knospen blieben Knospen, die Läuse blieben Läuse. Als in stolzeren Gärten noch die Blüten prangten, meinte unser Buschwerk wohl, es sei Zeit, sich auf den Winter einzurichten.

Zum Glück wurde der Balkon unter uns von einer Dame bewohnt, die keinen Rosenehrgeiz entwickelte, sondern schlichte Winden in Gurkenfässern hochgezüchtet hatte. Die kletterten den Balkon bis zu uns empor und kamen in unserer Etage gerade an, als unsere faulen Rosen sich zum Winterschlaf anschickten. Es war ein Trost zur rechten Stunde.

Natürlich sind wir keineswegs enttäuscht, denn die Schuld liegt ganz gewiß an uns. Nächstes Jahr wird alles ganz anders seih, ohne Engerlinge und ohne Läuse. Zu Weihnachten gibt es neue Fachliteratur, und die können wir studieren, indes der Ofen wohlige Wärme verbreitet und auf dem Luster eine einsame Blattwanze von den Freuden des Sommers träumt.

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