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Schauspielerin in Deutschland

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Cordula Trantow gehört zu den wichtigsten Schauspielerinnen des deutschsprachigen Theaters. Zuletzt war sie in der Titelrolle von Ibsens „Nora“ und als Mutter John in „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann zu sehen. Auch als Ehefrau des großen Regisseurs Rudolf Noelte hat Cordula Trantow Gelegenheit, die Zustände auf den bundesdeutschen Bühnen in ihren feinsten Verästelungen kennenzulernen. In einem Gespräch mit dem Journalisten Hermann Huber, das auch in deutschen Zeitungen abgedruckt worden ist, formuliert Cordula Trantow ihre Ansichten. Die FURCHE veröffentlicht die wichtigsten Teile aus dem Gespräch.

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Cordula Trantow gehört zu den wichtigsten Schauspielerinnen des deutschsprachigen Theaters. Zuletzt war sie in der Titelrolle von Ibsens „Nora“ und als Mutter John in „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann zu sehen. Auch als Ehefrau des großen Regisseurs Rudolf Noelte hat Cordula Trantow Gelegenheit, die Zustände auf den bundesdeutschen Bühnen in ihren feinsten Verästelungen kennenzulernen. In einem Gespräch mit dem Journalisten Hermann Huber, das auch in deutschen Zeitungen abgedruckt worden ist, formuliert Cordula Trantow ihre Ansichten. Die FURCHE veröffentlicht die wichtigsten Teile aus dem Gespräch.

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FRAGE: Sehen Sie einen politischen Auftrag des Theaters?

TRANTOW: Ich sehe die Funktion des Theaters nicht darin, unsere Gesellschaft, wie es so schön heißt, „fortschrittlich“, also marxistisch zu verändern. Ich sehe den Bereich der Kunst als politisch wertfrei an. Wenn zum Beispiel die- Schaubühne am Halleschen Ufer sagt, „unser Ziel muß es sein, in der richtigen Partei des Proletariats aktiv mitzuarbeiten“, wenn der Regisseur und Intendant Jürgen Flimm sagt, „unser ideologisches Raster bestimmt unsere Erzählweise“, wenn also eine politische Grundhaltung zur Basis für künstlerische Arbeit wird, so ist das nicht die Basis, von der aus ich meinen Beruf begreife.

FRAGE: Aber Sie haben sich politisch engagiert, als Sie z. B. dem bayerischen Kultursminister wegen der Aufführung von „Marija“ am Bayerischen Staatsschauspiel einen Brief schrieben.

TRANTOW: Im Grunde bin ich ein unpolitischer Mensch. Nichts geht mir mehr über das Private. Aber das ist schon etwas Politisches. .Man wollte mir, das fing so gegen 1968 an, einreden, was ich politisch zu denken hätte. Inzwischen hat sich diese Entwicklung so polarisiert, daß es fast tollkühn ist, innerhalb der staatlich subventionierten Bühnen - beim

Fernsehen ist es nicht ganz so schlimm und bei den Privattheatern gar nicht - zu sagen, ich bin nicht links.

FRAGE: Haben Sie denn nie versucht, Kollegen an Ihre Seite zu holen?

TRANTOW: Es gibt sehr viele Kollegen, die so denken wie ich. Im übrigen würde ich nie versuchen, jemand auf meine Seite zu ziehen. Vielleicht kann das, was ich sage oder tue, andere Menschen überzeugen, dann steht es in ihrem Ermessen, sich dazu zu bekennen, oder nicht. Aktionen zu starten, wiederspricht meiner Mentalität. Wenn unterschiedliche Anschauungen daran hindern, gemeinsam zu arbeiten, dann ist das mit meiner Vorstellung von Pluralismus, von Meinungsfreiheit, von dem Respekt vor der Individualität des anderen nicht vereinbar.

FRAGE: Glauben Sie, daß die politisch Verantwortlichen, die ja auch für die Subventionen unserer Staatsbühnen zuständig sind, sich mehr als bisher um das Theater kümmern sollten?

TRANTOW: Wenn ich mir die Programmhefte ansehe, die immer wieder marxistische Thesen propagieren, dann frage ich mich, wie weit soll das eigentlich noch gehen? Oder nehmen Sie zum Beispiel viele Klassikeraufführungen. Ich spreche von der Art Theater, für die es im Ausland den Begriff des „dreckigen Theaters“ gibt.

Das, was sich jetzt an vielen Theatern tut, nämlich dieses Niederknüppeln der Klassiker, hat verheerende Folgen.

FRAGE: Warum gibt es in letzter Zeit so viele dieser „zertrümmernden“ Klassikeraufführungen?

TRANTOW: Das ist ein modischer Trend. Jede Stadt hat ihren Bürgerschreck. In München ist es Herr Wendt, in Hamburg Herr Zadek, in Stuttgart Herr Peymann, in Köln Herr Heyme. Damit bleiben sie im Gespräch. In meinen Augen aber geht dabei vieles kaputt.

FRAGE: Sie sehen in erster Linie ideologische Absichten. Geht es denn nicht einfach nur um neue Formen des Theaters?

TRANTOW: Nein, die Formen sind überhaupt nicht neu; denn es sind die Formen des sowjetischen Revolutionstheaters der 20er Jahre. Also das Neueste von vorgestern. Die Absicht ist: „Man bringt die bourgeoise Welt am besten durch Verulkung und Verhöhnung zu Fall!“

FRAGE: Sind Sie für amerikanische Verhältnisse, für die Abschaffung von staatlichen Subventionen?

TRANTOW: Nein, durchaus nicht. Man könnte nur sehr viel Geld sparen, wenn man zwar Häuser beibehält, die festen Ensembles jedoch abbaut, wie es z. B. die Freie Volksbühne Berlin bereits praktiziert. Jeder Regisseur kann da nach seinen Vorstellungen besetzen. Die herkömmliche Form der Staats- und Stadttheater erlaubt es nicht, Stücke zu besetzen, wie sie besetzt werden, müßten.

FRAGE: Glauben Sie denn, das sich diejenigen Schauspieler, die sich z. B. in Klassikern auf der Bühne nackt ausziehen, unmoralisch gebärden?

TRANTOW: Es ist schade um diese Schauspieler. Ich habe eine andere Vorstellung von meinem Beruf. Ich bedauere meine Kollegen zutiefst, daß sie jede Scham verloren haben. Das hat nichts mit Moral zu tun. Es ist vielmehr eine Frage von Ästhetik und von Menschenwürde. Ich habe gar nichts gegen das Ausziehen, wenn es eine Situation dramaturgisch bedingt.

FRAGE: Frau Trantow, was würden Sie tun, wenn Sie Kultusminister wären? Was würde z. B. in Bayern anders laufen?

TRANTOW: Um mir das vorzustellen, müßte ich mir vorstellen, ein Politiker zu sein. Aber ich werde nie in eine Partei gehen. Politiker sind meiner Mentalität fremd. Ich bin in meinem Beruf gezwungen, Sensibilität zu kultivieren. Ich glaube, ein Politiker ist gezwungen, Sensibilität zu verdrängen und sich eine seelische Hornhaut wachsen zu lassen. Wenn ich als Schauspielerin zum Theater gefragt werde, sage ich: Ich wünsche mir mehr Möglichkeiten zum Wettbewerb, mehr Häuser von der Struktur der Freien Volksbühne Berlin, wo es Subventionen gibt, aber einen Bruchteil im Verhältnis zu den anderen Bühnen, wo Pluralismus praktiziert wird. Da arbeiten Bondy, Schäfer, Minks, Zadek und Noelte. Und das Publikum entscheidet von Produktion zu Produktion.

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