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Schweizer Komponisten gewidmet

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In den letzten Jahren haben sich die IMF Luzern aus einer von prominenten Künstlern und „Standardwerken“ beherrschten Veranstaltungsreihe ohne besonderes Profil zu einem Festival mit durchdachtem Konzept entwickelt. So war es naheliegend, im 35. Jahr des Bestehens — das gleichzeitig das 30jährige Jubiläum des Schweizerischen Festspielorchesters brachte — den Schweizer Komponisten und Interpreten einen breiten Spielraum zu gewähren. Also wurden mehr als 30 Werke Schweizer Provenienz aufgeführt, von der konzertanten Oper und vom Oratorium bis zur avantgardistischen, elektronischen und zur Computermusik reichte das Spektrum.

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In den letzten Jahren haben sich die IMF Luzern aus einer von prominenten Künstlern und „Standardwerken“ beherrschten Veranstaltungsreihe ohne besonderes Profil zu einem Festival mit durchdachtem Konzept entwickelt. So war es naheliegend, im 35. Jahr des Bestehens — das gleichzeitig das 30jährige Jubiläum des Schweizerischen Festspielorchesters brachte — den Schweizer Komponisten und Interpreten einen breiten Spielraum zu gewähren. Also wurden mehr als 30 Werke Schweizer Provenienz aufgeführt, von der konzertanten Oper und vom Oratorium bis zur avantgardistischen, elektronischen und zur Computermusik reichte das Spektrum.

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Von den drei Persönlichkeiten, deren gewichtiges Oeuvre das Rückgrat der 35. IMF Luzern bildete, weilt der 1890 — vier Jahre nach Schoeck, zwei Jahre vor Honegger — geborene Frank Martin als einziger noch unter den Lebenden. Martin hat erst in verhältnismäßig hohem Alter jene Souveränität der Schreibweise gefunden, die untrennbar zu seinem Wirken gehört. Vier der fünf in Luzern vorgeführten Stücke Martins gehören dieser Reifephase an. Hatte „Le vin herbe“ den Ruf des Komponisten in der Schweiz begründet (einzig der Krieg behinderte die Ausbreitung über die Grenzen hinaus), so wurde sein Name mit der „Petite Symphonie concertante“ mit einem Schlag in der Musikwelt bekannt

(Karl Böhm und die Wiener Philharmoniker sorgten diesmal für eine besonders eindringliche Wiedergabe). Die späte „Ballade für Bratsche und Orchester“ (Wiener Philharmoniker und Claudio Abbado, Solist: Josef Staar) und die „Passacaille für großes Orchester“ (Schweizerisches Fest-spielorehester unter Charles Duloit) sind gleichfalls charakteristische Werke des Martinsehen Reifestils.

Mit „Le roi David“ gelang 1921 Arthur Honegger der Durchbruch. In der umgearbeiteten Fassung als symphonischer Psalm (in dem an die Stelle des Szenischen ein Sprecher tritt) bildete das großangelegte Oratorium (aufgeführt vom Schweizer Rundfunkorchester unter Silvio Var-viso) einen Höhepunkt der 35. IMF

Luzern. Zwei von Honeggers Symphonien, die unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges entstanden, wurden ebenfalls gespielt: die „Zweite“ (für Streichorchester) und die „Dritte“ („Liturgique“), beide durch das Berliner Philharmonische Orchester unter Karajan. Mit dem „Concerto da camera“ wurde (durch das Collegium Musicum Zürich unter Paul Sacher) die intime Seite von Honeggers Schaffen berücksichtigt.

Othmar Schoeck sagte gesprächsweise einmal, daß es ihn eigentlich immer befremde, wenn bei der Aufführung eines Instrumentalwerkes die menschliche Stimme fehle. Auf den Einwand, daß sein Violinkonzert trotzdem schön und ausdrucksvoll sei, erwiderte er: „Aber es fehlen die Worte dazu!“ Außer dem Violinkonzert (interpretiert von Franco Gulli und dem Schweizer Rundfunkorchester unter Nikolaus Äschbacher) sowie neun Liedern (gesungen von Jessye Norman und Peter Schreier) stand die konzertante Aufführung der Oper „Penthesilea“ auf dem IMF-Programm (über sie wird ein separater Bericht folgen).

Ein eigenes Konzert war der bodenständigen „Musica Lucernensis“ gewidmet. Neben einer konservativen „Festlichen Ouvertüre C-Dur“ von Fritz Brun (einem Symphoniker in der Bruckner-Nachfolge) und einem charmanten Ausschnitt aus der Militär-Symphonie von Xaver Schnyder von Wartensee (1786 bis 1868) blieb genügend Raum für drei Zeitgenossen: Zur Uraufführung gelangten die 2. Symphonie von Peter Bernary (durch das SWF-Sympho-nieorchester unter Max Sturzeneg-ger), Will Eisenmanns „Konfrontationen“ (mit Jean Soldan, Flöte) und Albert Jennys „Gesänge für Sopran und Orchester“ mit der Luxer -nerin Edith Mathis als Solistin), drei Werke der gemäßigten Moderne.

Mit der Uraufführung von Kommunikationen für sechs Instrumentalgruppen“, einem gleichfalls gemäßigten Auftragswerk des Baslers Rudolf Kelterborn (Schw. FSO unter Leitung des Komponisten), waren die 35. IMF Luzern eröffnet worden. Mit Schoecks Opemeinakter nach Kleist klangen sie aus. Dazwischen gab es noch allerlei von Schweizer Komponisten der älteren, mittleren und jüngsten Generation zu hören. Der Oboenvirtuose Heinz Hollinger war mit „Elis — drei Nachtstücken“ (nach Trakl, für Klavier, interpretiert von Suszanna Sirokay) vertreten, der 75jährige Paul Müller mit einem eigenwilligen Streichquartett (op. 64, gespielt vom Finlandia-Quartett), der junge Dirigent Michael Tabachnik brachte seine „Mo-vimenti“ zur Uraufführung. Weiters standen Werke von Willy Burkhard, Peter Mieg, Hermann Haller, Hans-Ulrich Lehmann, Matthias Bamert und elektronische Musik von Werner Kägi und Andre Zumbach auf dem Programm. Die 4. „Perspektiven“ waren avantgardistischen Kompositionen von Klaus Huber gewidmet.

Obwohl auch in der Schweiz das Wort vom „Propheten im eigenen Land“ durchaus Geltung hat, waren die 35. Internationalen Musikfestwochen Luzern ein sehr beachtlicher Erfolg für alle Beteiligten. Die meisten Konzerte waren fast oder völlig ausverkauft und ein solches Interesse wäre noch vor zehn Jahren in Luzern undenkbar gewesen. Dank der systematischen Aufbau-und Pionierarbeit der Festivaldirektion ist es nun doch möglich geworden.

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