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Sie kennen solche Tage?
Ich trete - es ist Viertel sieben - ins Badezimmer. Ich ergreife schlaftrunken die Zahnpastatube, schraube sie auf, drücke ein Würstchen auf die Zahnbürste - doch heute landet das Würstchen nicht auf den Borsten, nein, es klatscht ins Waschbecken. Der zweite Versuch gelingt. Aber aus unerfindlichen Gründen rutscht der Badezimmerteppich während des Zähneputzens unter den Füßen weg, beinahe wäre ich hingefallen, und als ich ihn geraderichte, stoße ich mit dem Kopf an die Badewannenkante, was eine erschrockene, unkoordinier-te Bewegung meinerseits auslöst, die wiederum das Herunterfallen des Badetuchs bewirkt.
Und während ich äußerst vorsichtig, denn ich kenne solche Tage, ans Werk gehe, fällt mir der Kaffeelöffel aus der Hand, ich hole mir am heißen Wasserkessel eine Brandblase am kleinen Finger, und beim Verlassen der Wohnung suche ich die Türschnalle, die nie woanders war als rechts, an der linken Seite der Türe.
Das spätestens wäre der Augenblick, da ich ins Wohnungsinnere zu-
rückgehen, mir behutsam die Kleider vom Leibe lösen und mich nach telefonischer Entschuldigung am Arbeitsplatz umsichtig wieder zu Bett begeben sollte, die Tuchent weit über den Kopf gezogen, mit bewußter Bauchatmung und entspannter Wirbelsäule.
Nein, nein, gestern war keine Orgie angesagt gewesen, ganz im Gegenteil, ein seriöser, ruhiger Abend war's, kurz noch dazu, früh hatte ich mich niedergelegt, traumlos und köstlich hatte ich geschlafen, und trotzdem. Ich funktioniere nicht, und wenn, verkehrt.
Ich rufe die Gewerkschaften, Krankenkassen und Pensionsversicherungsanstalten auf, solche Tage als Krankenstandstage anzuerkennen. Viel Schaden kann so vermieden werden. Erst gegen Mittag sollte ich's dann noch einmal probieren.
Der Geist, nein: der Un-, der Anti-geist, tler mir morgens im Nacken gesessen war, hat mich da zumeist schon verlassen. Ich kann wieder Schlüssel in Schlüssellöcher einführen, ich finde den Lichtschalter, ich weiß sogar wie spät es ist und wie ich heiße.
Na also.
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