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The Befrienders

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Zuhören, Verstehen und Akzeptieren - das ist der Grundsatz, nach dem „The Befrienders“ den Einsamen, Deprimierten und Selbstmordkandidaten helfen. Anders als die Telefonseelsorge richten sich „Die Befreunder“ an all jene, die nicht Deutsch als Muttersprache sprechen. Die Probleme sind hier und dort gleich: Einsamkeit, Ehe-und Familienschwierigkeiten, Selbstmordabsichten. Doch gibt es seit Februar 1977 erstmals auch für Ausländer eine eigene Stelle in Wien, an die sie sich wenden können.

„Leute in Notsituationen brauchen nicht unbedingt eine fachliche Beratung eines Priesters, Psychiaters oder Sozialarbeiters, sondern eher echte Freundschaft, sie wollen von einem Mitmenschen warmherzig und ohne Kritik akzeptiert werden“, waren die Erfahrungen, die Prälat Chad Varah, Gründer der Samariter-Bewegung 1953 in London machte. Damit war das Konzept des Befreundens der Samariter gefunden. Heute sind die „Befrienders International“, wie sie sich weltweit nennen, in 15 Ländern tätig. Sie bieten selbstlose Hilfe, die nicht konfessionell gebunden ist.

Die Selbstmordziffer konnte in England, dort, wo Befrienders tätig sind, von 1963 bis 1975 um ein Drittel gesenkt werden. Heute sind 19.000 Freiwillige in 167 Niederlassungen für 200.000 Klienten zuständig. .

Für Wien zeigt die Statistik der Todesursachen, daß der Selbstmord an zweiter Stelle hinter den Verkehrsunfällen steht. Bei einer Bevölkerung von 1,6 Millionen Menschen geht täglich einer freiwillig aus dem Leben. Die Befrienders wollen mit ihren 40 Mitarbeitern dagegen ankämpfen. Ihr größtes Anliegen ist es zur Zeit, in der breiten Öffentlichkeit bekannt zu werden. In England hat eine elftei-lige Fernsehserie 1972 dazu beige' tragen, daß die Organisation einen Bekanntheitsgrad von 92 Prozent erreicht hat. „The Befrienders care for the despairing. Call 73 33 74 in strictest confidence“, steht auf Kärtchen, die in Wien in Buchhandlungen, Kinos und beim English Theatre verteilt werden. Folgt man der Aufforderung, sp wird der „Hilfesuchende mit einem sympathisierenden Zuhörer verbunden - geteiltes Leid ist halbes Leid“, heißt es in einem Flugblatt.

Maureen Agu, die Leiterin der Wiener Gruppe, berichtet, daß die Zuhörer („Listeners“ genannt) auf ihre Aufgaben in einem Kurs gründlich vorbereitet werden. Von 14 Teilnehmern schließen ihn meist nur acht ab. Derzeit stehen zwölf in Ausbildung, unter ihnen eine Österreicherin. Denn man kann neben Englisch auch Auskünfte in -Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Griechisch, Russisch und Chinesisch erhalten.

„Wir wollen in der Krise helfen, nicht lebenslänglich unterstützen“, umreißt ein Befriender seine Aufgabe. Leute, die einen ständigen persönlichen Kontakt suchen, werden an eine der neun „Con-tact“-Gruppen in Wien weitervermittelt. Vor allem verheiratete Frauen haben es übernommen, Ausländer mit Ausländern bekannt zu machen. Ein wesentliches Ziel ist es, freundliche Beziehungen zu anderen Kriseninterventionszen-. tren zu unterhalten.

In den ersten vier Monaten ihrer Tätigkeit haben die Befrienders in Wien 76 Anrufe erhalten, davon 80 Prozent von Frauen. Wegen des Personalmangels können sie nur in Schichtzeiten arbeiten. Um einen Notdienst rund um die Uhr einzurichten, wäre es notwendig, 120 geeignete Zuhörer zu finden. Da es freiwillige Mitarbeiter sind, erwachsen Ausgaben nur für Miete, Telefon und Werbung.

„Mit dem Entstehen der UNO-City“, sieht Roger Peniston-Bird, der Pressereferent, für die Befrienders „eine stets größere Bedeutung zukommen, da immer mehr Ausländer in Wien wohnen werden.“ Zur Zeit sind es bereits 130.000 Personen, was ungefähr der Bevölkerung von Salzburg entspricht. Das Problem der Eingliederung in eine Gesellschaft ist und wird stets aktuell bleiben.

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