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„Tosca“ — eine Sängeroper

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In der Titelpartie: Leonie Rysanek, ihr Partner: Gianni Raimondi. Damit schien eine zumindest stimmlich glanzvolle Interpretation gewährleistet. Aber den Scarpia sang Eberhard Wächter. Da durfte man nicht an seine großen Vorgänger in dieser Partie denken. Leonie Rysanek ist in Erscheinung und Haltung nicht von Haus aus die Prima Donna assoiuta. Aber sie ist es stimmlich: im Vollbesitz eines kräftigen, schöntimbrier-ten Organs, das auch bedeutenden dramatischen Spannungen standhält (mit einer Ausnahme im 3. Akt). Sie hielt sich wenig an die seinerzeitigen Regievorschriften Margarethe Wallmanns und bewegte sich schnell und impulsiv. — Ihr Partner Gianni Raimondi war für einen jugendlichen Künstler, Feuerkopf und Revolutionär ein wenig behäbig. In seiner Stimme war jedoch alles, was man sich für diese Rolle wünscht: lyrischer Schmelz, Dramatik, sogar Ekstase. Seine Stimme ist, wie die von Frau Rysanek, auch in der Höhe frei von jeder Schärfe und weist eine besonders schöne Mittellage auf. — Eberhard Wächter dürfte in einem veristischen Stück, auch wenn es sich „nur“ um eine Oper handelt, nicht so schreiben, wie er im 2. Akt schreibt, und vor der am Boden liegenden Tosca sollte er sich nicht vor Seelenschmerz die Augen zuhalten. Das entspricht ganz und .gär nicht dem Charakter des Scarpia. Gut charakterisierend: Peter Wimberger als Angelotti, Manfred Jungwirth als

Mesner und Kurt Equiluz als Poli-zedagent Spoletta.

Am Pult stand Anton Guadagno: ein etwas alltäglicher Mann, der sein Handwerk beherrscht, gewiß, von dem aber kein Glanz ausgeht. (Wie raffiniert die Partituren Puccinis sind, wie originell etwa in der Zu-standsschilderung, wie wirklich dramatisch, trotz einer gewissen zivilisatorischen Glätte, das erlebten wir wiederholt unter Mitropoulos und Karajan.) Das Pinale des ersten Aktes, eines der klanglich prunkvollsten der Operngeschichte, geriet ein wenig matt. Auch sonst fehlte es da und dort an Intensität, Feinheit und Farbe.

Mit dem Stück von Sardou hatte Puccini genau das gefunden, was er sich nach „La Boheme“ wünschte: „eine Oper ohne exzessive Proportionen, eine, die ein dekoratives Schauspiel gibt und Gelegenheit für eine Fülle von Musik.“ In der Tat. Selten war Puccinis Musik kräftiger, pathetischer, passionierter. Merkwürdig der kompositorische „Ausrutscher“ im 3. Akt: nach einer der zartesten, impressionistisch differenziertesten Passagen, die Note für Note von Ravel stammen könnte, folgte jenes klanglich wirklich schreckliche — zum Glück nur kurze — Freiheitsduett in parallelen Oktaven ...

Mit der Geschichte von „Tosca“ verbinden sich lauter „runde“ Jahreszahlen: am 14. Jänner 1900 fand im römischen Teatro Constanzi die Uraufführung statt, dessen Komposition Puccini genau zwei Jahre vorher begonnen hatte, und das im Jahr 1800 spielt. In Wien wurde „Tosca“ 1910 erstaufgeführt und ist beim Publikum wie bei den Sängern beliebt wie am ersten Tag. Der langanhaltende Beifall eines begeisterten Auditoriums bewies es. — Aber sollte man nicht, um den festlichen Charakter einer Saisoneröffnung zu markieren, eben dieses Publikum um eine etwas festlichere Kleidung bitten?“

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