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Vom Privatmäzen zum Gemeindespital

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Privates Mäzenatentum ist in Österreich selten geworden. Das hängt mit der Steuergesetzgebung der österreichischen Republik zusammen. Nur in relativ wenigen Fällen können Beträge, die für wohltätige Zwecke bestimmt sind, von der Steuer abgezogen werden. Die USA, Großbritannien, aber auch die Bundesrepublik gehen hier 'vesentlich andere Wege. Der Absetzbetrag für Stiftungen zugunsten karitativer, kultureller und künstlerischer Zwecke ist oft recht hoch. Er beträgt fünf bis zehn Prozent von der Einkommensteuer. Schulen und Universitäten, wissenschaftliche Forschungsinstitute und Bibliotheken würden in Amerika ohne diese Steuergesetzgebung gar nicht existieren können.

In Österreich wird kaum eine Änderung des derzeit geltenden Systems eintreten, und so wird wahrscheinlich, wie es schon jetzt geschieht, die öffentliche Hand der einzige große Mäzen bleiben. Auch vor dem Ersten Weltkrieg wurden Stiftungen für Wohltätige künstlerische und karitative Zwecke steuerlich nicht belohnt. Aber die Steuergesetzgebung war damals derart niedrig, daß es reichen Familien ohne weiteres möglich war, aus ihrem Vermögen größere Beträge für solche Stiftungen zur Verfügung zu stellen. Außerdem winkte in solchen Fällen meistens auch noch eine Belohnung in Form eines kaiserlichen Ordens oder eines kaiserlichen Titels, wenn nicht gar die Nobilitierung.

Ein leuchtendes Beispiel und ein Denkmal dieser Stiftergesinnung ist das Mautner Markhofsche Kinderspital im 3. Bezirk der Stadt Wien, das vor 100 Jahren durch ein Mitglied der berühmten Familie Mautner Markhof, Ignatz Mautner Ritter von Markhof, ins Leben gerufen wurde. Im Jahre 1872 übergaben er und seine Gattin der Vertretung des mung, Scharlach, Blinddarmentzün-3. Wiener Gemeindebezirkes die dung Krankheiten mit einem sehr Summe von 150.000 Gulden, eine oft tödlichen Ausgang, so haben auch für die damalige Zeit außer- diese Krankheiten dank der hervorordentlich hohe Summe, deren va- ragenden Erfolge der modernen Melorisierter Wert heute ungefähr 30 Mio. Schilling ausmachen würde, mit der Bestimmung, ein Kinderspital dafür zu errichten. Auch drei Bauparzellen in der Kleingasse, die noch heute diesen Namen trägt, gehörten weiters zu dieser Schenkung. Eine wahrhaft großzügige Stiftung, die mit Recht zur Folge hat, daß das Spital für immerwährende Zeiten den Namen des Gründers trägt, auch wenn es bereits nach dem Ersten Weltkrieg in den Besitz der Gemeinde Wien übergegangen ist. Glücklicherweise — ist man versucht zu sagen, denn die ersten Jahre nach dem Jahre 1918 waren so voller Elend, daß nur noch die öffentliche Hand ein solches Spital weiterführen konnte.

Das Spital begann im Jahre 1875 mit 40 Betten, die bereits im Jahre 1882 auf 58 erhöht wurden. Heute besitzt das Spital 185 Betten, während es zeitweilig sogar 218 besaß.

Die damalige Tendenz, Kinderkrankenhäuser aus Infektionsgründen zu isolieren, bestimmte die Anlage nahezu vor den Toren der Stadt. Dazu kam sicherlich auch der Wunsch, mitten in einem Bezirk, der eher von ärmlichen Schichten bewohnt war, ein Spital zu errichten, das sich speziell mit der Pflege von kranken Kindern beschäftigte.

Das Mautner-Markhofsche Kinderspital war allerdings nicht das erste Kinderspital, das in der Stadt Wien errichtet wurde. 1834 wurde schon das St.-Anna-Kinderspital ins Leben gerufen. Es war das vierte Kinderspital, das überhaupt auf dem Kontinent entstand. Gewandelt hat sich in diesen 100 Jahren, in denen das Spital besteht, vielfach das Bild der Krankheiten. Waren noch vor 100 Jahren Krankheiten wie Tuberkulose, Diphtherie, Kinderlähdizin und vor allen Dingen dank der gegen sie verwendeten vorbeugenden Mittel nicht nur teilweise ihre Schrecken verloren, sondern sihd selbst fast gänzlich verschwunden. Der letzte große diesbezügliche Sieg der modernen Medizin war derjenige über die Kinderlähmung.

An Stelle infektiöser Erkrankungen ist dagegen die Behandlung von Unfällen getreten, die .immer mehr ein solches Kinderspital beschäftigen. Der moderne Verkehr, die modernen Geräte im Haushalt mit ihren Möglichkeiten zu Verbrennungen, der moderne Sport, liefern ununterbrochen jugendliche Patienten in ein solches Spital. Für die leichteren Fälle genügt die Ambulanz, die so gut wie Tag und Nacht arbeitet. An Stelle der 'sogenannten klassischen Krankheiten treten vielfach dagegen schon bei Säuglingen mehr oder minder harmlose oder gefährliche Tumoren auf, die operativ entfernt werden müssen, treten erbliche Erkrankungen auf, die eine langwierige Behandlung erfordern.

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Leiter des gesamten Spitals sowie Chef der internen Abteilung ist heute Univ.-Prof. Primarius Dr. Hermann Gottfried Wolf (dessen Vater ein besonderer Freund Dr. Friedrich Funders und dessen jahrelanger Mitarbeiter, vor allem auch bei der FURCHE gewesen ist). 1963 übernahm Primarius Dr. Peter Wurnig die chirurgische Abteilung, gleichzeitig wurde eine Stelle für einen hauptamtlichen Anästhesisten geschaffen, womit die Grundvoraussetzungen für die moderne Kinderchirurgie gegeben waren. Verbesserungen vieler Einrichtungen folgten. So erfolgte die Aufstellung einer Anlage zur Intensivtherapie vort Neugeborenen und operierten Kleinkindern, dann die Neueinrichtung einer Röntgenstation, der Neubau eines Operationstraktes mit gleichzeitiger Einrichtung einer Intensivpflegestation für operierte Neugeborene und Kleinkinder mit modernen Beatmungs- und Überwachungsgeräten. Daneben wurde neben dem bisher eingerichteten pädriatischen und chirurgischen Dienst ein ununterbrochener anästhesiologischer Dienst eingerichtet. Auf dem ambulanten Sektor wurde ein Nacht- und

Feiertagsdienst mit sechs Ärzten besetzt.

Wer das Kinderspital besucht, dem •werden nicht nur die unbeschreibliche Sauberkeit, die moderne Einrichtung der Zimmer, die modernsten Apparaturen auffallen, sondern auch die vielen philippinischen Schwestern, die hier derzeit Dienst machen. Klosterschwestern dagegen sind überhaupt keine mehr zu erblicken. Ein Beweis, wie sehr dieser Beruf zurückgegangen ist und wie sehr anderseits auch der Nachwuchs Im Bereich der weltlichen Schwestern aus den heimischen Kräften nicht gedeckt werden kann, sondern auf Kräfte aus allen Ländern der Welt zurückgegriffen werden muß. Die Betriebskosten eines solchen Spitals sind hoch, und der größte Teil der kosten, rund 75 Prozent, sind Ausgaben für das Personal. Aber ohne gute und viele Ärzte, ohne gutes und zahlreiches Pflegepersonal und ohne die zahlreichen anderen Kräfte kann ein solches Spital, auch wenn die heutige moderne Maschine so manchen früheren Handgriff des Menschen ersetzt, nicht geführt werden. Ein Beweis, daß auch heute noch der

Mensch unersetzbar ist, im Grunde genommen es immer auf seine Tätigkeit ankommt. Aber dem Menschen zu dienen und insbesondere dem Menschen in seinem frühen Lebensstadium, dem Säugling und dem Kind, ist ja die gesamte Tätigkeit dieses Spitals gewidmet, das ein leuchtendes Beispiel der Menschenliebe und Hilfsbereitschaft ist.

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