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Vor 150 Jahren starb Carl Maria von Weber

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Am 18. Dezember wird es 190 Jahre sein, daß Carl Maria von Weber, der Freischütz-Komponist, geboren, im Juni war es 150 Jahre, daß er in London gestorben ist: 40 Jahre war er alt geworden, bei der ärztlichen Untersuchung fand man ein Geschwür am Kehlkopf, Tuberkeln in eitrigem Zustand, die Luftzellen der Lunge waren zerplatzt. Beim heutigen Stand der Wissenschaft wäre Webers Krankheit - frühzeitig behandelt - verschwunden, und wir hätten noch viele Melodien geerbt, die wir heute nicht kennen.

Seine Krankheit sah man ihm an, es wurde ihm oft geraten, „nach Eger“ zu gehen, wo er sich in Franzensbad erholen sollte, im Juli 1814 ermannte er sich, nahm von Prag drei Monate Urlaub und ging ins Bad Liebwerda, wo unter Patronanz von Clam-Gallas ein Sommertheater spielte und Weber auch viele Ausflüge machen konnte: In die Stolpich-Waldeinsamkeit des Iser-gebirges, wo ihn ein Ungewitter überraschte und er die musikalische Eingebung zur Wolfsschluchtsszene bekam. Er liebte die böhmischen Wälder, auch das Riesengebirge von seiner früheren Breslauer Zeit her, als er das Volksmärchen vom Rübezahl in einer Oper von zwei Akten, nach dem Text von Rhode, vertonte, doch sind nur Bruchstücke von ihr erhalten.

Aber die Anregung zum Freischütz kam von einem anderen Wald, vom Böhmerwald. Die Geschichte mit den Geheimniskugeln stammt aus der Gegend von Taus, wo 1710 einem achtzehnjährigen Schreiber Georg Schmid der Prozeß gemacht wurde, „Weiße Kugeln“ in gotteslästerlicher Weise gegossen zu haben. Diese Geschichte wurde dann in die „Unterredungen von dem Reich der Geister“ aufgenommen, 1730 in drei Bänden von Otto von Graben gedruckt. Das Buch hat angeblich der Librettist Kind als Schüler in der Ratsbibliothek in Leipzig gelesen, Weber angeblich auf seinem Polterabend in Liebichs Villa in Prag. Zwei andere fanden die Geistergeschichte so interessant, daß sie sie in ihr Gespensterbuch aufnahmen. Es waren die Autoren Laun und Apel. Überall war hier als Tatort der Böhmerwald, der dunkelste unter den Böhmischen Wäldern, geschildert.

Die Aufhellung der düsteren Waldgeschichte mit böhmischen Erinnerungen geht auf C. M. von Weber zurück; die Ur-Geschichte mit den dreiundsechzig Kugeln, von denen nur drei treffen, die anderen aber äffen, ist voll von Zauber- und Naturgeheimnissen: Blutiger Dolch und Verbindung zum Dämonenfürst der jüdischen Sagenwelt Samael (bei Weber Samiel) steigern die Geschichte zu einer Horrorszene, wie sie damals auch beliebt war. Vor Weber hat ein Franz Xaver von Caspar das Libretto für die Musik von Carl Neuner als romantische Tragödie abgefaßt, die mit zwei Fassungen (tragisches und Happy-End) gegeben wurde. Webers Librettist Kind hatte bereits ein Werk „Lenardo's Schwärmereien“ geschrieben, aus dem er den Text für den Geisterchor in der Schlucht übernahm. Weber hat die beste Musik der deutschen Romantik dazu geschrieben. Böhmische Inspirationen sind auch in der Namensgebung des Regierenden Fürsten Ottokar und der „Böhmischen Bergmusik“ im Anfangschor ersichtlich. Aufgehellt wurde das Ganze durch Melodien wie „Durch die Wälder, durch die Auen ...“ und durch eine gutartige Eremitengestalt im Vorspiel, das oft ausgelassen wird.

Gewiß haben Weber und sein Freischütz einen großen Einfluß auch auf den um neun Jahre jüngeren Heinric Marschner ausgeübt, der mit Weber in Dresden in Verbindung trat - dieser verschaffte ihm dort 1819 eine Stelle als Musikdirektor. Einige Jahre später begann sich Marschner mit einer anderen böhmischen Sage, „Hans Hei-ling“, zu befassen, die dann 1833 aufgeführt wurde. Marschner hatte sich früher bereits mit einem Vampir-Thema befaßt, doch ist diese Oper ebenso wie die Golem-Oper von d'Albert von allen Bühnen verschwunden. Dagegen haben die weiblichen romantischen Wasser- und Waldmädchen weiterhin die Bühne bevölkert: Undine von Lortzing, Ru-salka von Dvofäk, Donauweibchen und Rautendelein, ebenso wie früher Das Waldmädchen oder Silvana bei C. M. von Weber, der sich in die erste Darstellerin dieser Rolle Caroline Brandt so verhebt hatte, daß er von Dresden nach Prag 1817 zurückeilte, um sie in der St.-Heinrichs-Kirche zu heiraten - in der Kirche, wo Jahrzehnte später Rainer Maria Rilke getauft wurde.

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