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Wieder nur Klischees
Wiens Musikalischer Sommer 19 77“ liegt bereits jetzt, knapp nach Jahresbeginn, fix und fertig geplant und ausgedruckt vor. Beethoven (150. Todestag) und Josef Strauß (150. Geburtstag) hat man sich als Programmregenten erkoren, da ja ohne solche Termine Konzertprogramme offenbar kaum noch zusammenzustoppeln sind. Oder nur noch mit einer Phantasie- strapaz über Gebühr. Zwischen 1. Juli und 29. August werden sie uns also wieder in kalten und heißen Sommernächten aufspielen, im Arkadenhof des Wiener Rathauses die Symphoniker und Tonkünstler, das RTV-Orchester Lai- baęh und das ORF-Symphonieorchester, das Pueblo Symphony Orchestra und die Budapester Philharmoniker; in den Wiener Palais wird es 18mal Kammermusik mit mehr oder weniger bekannten Solisten geben und neunmal, zum Teil sogar Respektables, in der Schönbrunner Schloßgalerie.
Aber im ganzen ist dieser Musikalische Sommer“ leider nach wie vor geblieben, was er immer war: einförmig. Ein Hauch von Routine liegt über dieser Auswahl an Künstlern, über diesen lauen Pro- grammeh, die man von irgendwelchen Dutzendprogrammen in irgendeiner anderen Stadt oft kaum unterscheiden kann. Und ich , werde das Gefühl nicht los, daß sich da alle sagen: „Gehört ohnedies nur für Touristen!“
Wie oft sind da nun schon interessante Programme und musikalische Denkanstöße gefordert worden. Sogar erst vor einem halben Jahr im Rahmen eines Round- table-Gesprächs. Wie oft schon wurde von Versuchen geredet, unverwechselbar Wienerisches zu bieten, geistige Leitlinien zu legen, die sich nicht in Allround-Programm- zusammenstellungen erschöpfen.
Miß es denn wirklich immer Wiener Klassik sein, aufgelockert mit Brahms und der Straiß-Dynastie? Könnte man sich nicht endlich einmal originellere Kombinationen einfallen lassen? Kleine Kirchen- opem zum Beispiel, wie sie Renė Clemencic mit einem barocken Sepolcro-Spiel Kaiser Leopolds und einem anderen Werk in der Jesuitenkirche so vorbildlich erarbeitete? Oder wie wär’s mit Aufträgen für junge Musik- und Musiktheatergruppen, klassische Moderne und Experimentelles geschickt zu mischen? Wie, wenn man das Wiener Jeunesse-Ballett mobilisierte oder historische Tanzspiele zu zeigen sich bemühte?
Eine Menge fällt einem da ein. Denn wenn man schon alle Jahre wieder Wiens Sauregurkenzeit Musikkultur" verpassen will und muß, dann bitte doch auch einmal nicht bloß nur als Pflichtübung und Allerweltsberieselung. Nicht im Trott der Bequemlichkeit, sondern sozusagen auf musikalischen Abwegen. Abseits des bloß Gängigen, abseits vom Klischee, wie es durch den Massenkonsum geprägt wird. Denn wir haben schon das ganze Jahr über genug Klischeeprogramme in den Konzerten. Und jeder Konzertveranstalter weß, wie schwierig es ist, aus dem Abonnentenbetrieb auszubrechen. Um so mehr lohnte es sich doch, im Sommer phantasievęll zu planen. Ist das zuviel verlangt?
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