said - © Foto: Wikipedia/Kritzolina (cc by-sa 4.0)

Zum Tod von SAID: „Denken hat mit Berührung zu tun“

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Der am 27. Mai 1947 in Teheran geborene Lyriker SAID starb am 15. Mai 2021 in München. Von 2000 bis 2002 war er Präsident des deutschen PEN-Zentrums.

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Der am 27. Mai 1947 in Teheran geborene Lyriker SAID starb am 15. Mai 2021 in München. Von 2000 bis 2002 war er Präsident des deutschen PEN-Zentrums.

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Wer ihm das Ohr lieh, mit dem teilte er viele Gläser Tee und das gut gewürzte Essen – Teller und Schalen auf dem Tisch, man naschte sich so durch –, vor allem aber teilte er das Wort und viele Geschichten. Was er über den Kulturraum seiner Geburtsstadt Teheran zu sagen hatte, weitete immer den eigenen, allzu sehr westlich eingeschränkten Blick. Er lachte gern, war streitbar und konnte sich in Rage schimpfen, und nicht selten weinte er beim Erzählen.

Grund genug gab es. Als 17-Jähriger ging er nach Deutschland, studierte Politologie und engagierte sich in den Studentenrevolten, die sich auch gegen den Schah richteten. Nach der Revolution versuchte er einen Neuanfang im Iran, doch mit den Ajatollahs war nicht die ersehnte Freiheit gekommen, sondern „Blut, Schweiß und Folter“. Das nachbarschaftliche Miteinander der Religionen, der Geruch der Moscheen (sie rochen einst nach „Brüderlichkeit und Rosenwasser“): Das alles war zerstört.

SAID blieb in München, tauchte in die Kultur seiner neuen Heimat ein, las Heine, Hölderlin und die Bibel, er suchte und fragte neugierig wie kaum ein anderer. Auschwitz blieb ihm eine große Wunde. SAIDs Stärke war die Lyrik. Sie war sinnlich und mystisch und gerade darin politisch. „Das Denken hat mit Berührung zu tun. Das wird oft vergessen. […] Dieser Zwiespalt führt zu weiterer Trennung: hier das Göttliche, da das Profane. Die Aufgabe der Literatur wäre, die beiden Enden zu verbinden.“

Die alte Heimat blieb immer präsent. Auch als Bedrohung. Stand beim Heimkommen die Wohnungstür offen, konnte er das Zeichen lesen: „Wisse, wir können rein, wenn wir wollen.“ Der FURCHE schrieb er unvergessliche Texte, erinnerte an Dialog. „Voraussetzung für einen Dialog ist, dass man Schwäche zeigt: die eigene. Und dass bei einem Dialog zwischen zwei Sprachen, zwischen zwei Kulturen, das Entscheidende oft der Gestus ist“.

Am 15. Mai ist SAID kurz vor seinem 74. Geburtstag gestorben. „und dein tod, / hast du ihn gefragt / nach seinem namen?“ fragte er in einem Gedicht, das er Erich Fried widmete, der 1988 starb. „oder kam er / auch diesmal verkleidet / als ein gedicht?“

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