Nach der Wahl_Kurz - © APA/Georg Hochmuth

"Inside Türkis": Im Fokus der "Herrlichen"

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Das neue Buch "Inside Türkis" von Klaus Knittelfelder und das bereits 2010 erschienene "Herrschaft und Herrlichkeit" von Giorgio Agamben thematisieren den Ausnahmezustand und seine Bedeutung für die Macht.

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Das neue Buch "Inside Türkis" von Klaus Knittelfelder und das bereits 2010 erschienene "Herrschaft und Herrlichkeit" von Giorgio Agamben thematisieren den Ausnahmezustand und seine Bedeutung für die Macht.

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Spiegelt sich die Gegenwart in aktuellen Büchern? Bei zwei Werken scheint dies der Fall zu sein: Im ersten erfolgt es abstrakt, im zweiten konkret. In „Herrschaft und Herrlichkeit“ (2010) verweist der italienische Philosoph Giorgio Agamben auf Ursprung und Vollzug von Macht im Zeitraum der „Ausnahme“. Eine „Regierungsmaschine“ als Aufbau und Ablauf politischer Administration stehe dabei unter dem Zeichen von „auctoritas“ und „potestas“. Beides beziehe sich auf Liturgie und Effizienz. In aller Relevanz für das System der neuen Volkspartei als „Neuer Volkspartei“: für Agamben entscheidend ist die Umkehrung einer biblischen „Ökonomie des Geheimnisses“ in ein humanistisches „Geheimnis der Ökonomie“. Das Komplexe simpel erklärt: Im Fokus des „Herrlichen“ steht weniger das „Was“ als das „Wie“; weniger das Programm als der Prozess; weniger der „Herr“ als die „Herrschaft“.

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Als hätte er eine Krise wie Corona antizipiert, bemüht Agamben dabei ein Gleichnis: Die Mechanik von Macht als Management und Marketing „funktioniert quasi als Theodizee, die in einer Herrschaft der Vorsehung eine Regierung des Schicksals legitimiert und garantiert“. Ein Schelm, wer hier und jetzt bei Schicksal nicht an Pandemie und bei Vorsehung nicht an Normalität denkt.

Auffällig ist die Sozialisation der Berater – an Historikern mangelt es drastisch – in der bürgerlichen Mitte mit dem Hang zum Aufstieg.

Gerade Liturgie und Effizienz werden im gerade erschienenen zweiten Buch – „Inside Türkis“ von Klaus Knittelfelder – anhand von Personen (vgl. „persona“: lateinisch „Maske“) vorgestellt, die sich in engeren und weiteren Kreisen um ihre Mitte mühen. Vieles, ja alles, dreht sich dabei um ein Wort im System: die verbindende Kraft von „Loyalität“. Der Lohn, den der Kanzler und Obmann den Seinen dafür zollt, heißt Begegnung auf Augen- und Ohrenhöhe. Denn im Gegensatz zu seinen Vorgängern in Staat und Partei lautet Sebastian Kurz‘ (Erfolgs-)Geheimnis: „anerkennen, dass ihn Menschen umgeben“, die „in ihren Bereichen besser sind als er“. Expertise ist also gefordert, ehe er selbst entscheidet und erwartet, dass sein internes und externes Team dazu steht, durch dick und dünn.

"Neu" ist das Codewort schlechthin

Das dabei zum Vorschein gelangende Muster ist das einer konsequenten Gewaltenteilung: zwischen strategischen und operativen Kräften (erstens), inhaltlicher oder kommunikativer Art (zweitens), nicht bottom up, sondern top down (drittens). Auffällig bei solcher Ökonomie ist die Sozialisation der Berater – an Historikern mangelt es drastisch – in der bürgerlichen Mitte mit dem typischen Hang zum Aufstieg in einer „neuen“ nach einem Verfall der „alten“ ÖVP. Das Wörtchen „neu“ ist der Code schlechthin: vom ersten Plakat weit vor Ibiza bis zur letzten Order eng nach Corona. Bedeutender als das Substantiv in einer Dritten Republik, für deren Existenz bei Türkis als Mischung von Blau und Grün vieles spricht, ist nämlich das Adjektiv. Als Vektor verspricht es Dynamik statt Statik: gerade in einer Partei, die Bewegung sein will und muss, um zu überleben.Wie wichtig dabei Kontrolle ist, braucht in der neuen ÖVP – anders als bei der alten – nicht betont zu werden.

Interessant zu erfahren, dass die Besetzung strategisch und taktisch relevanter Positionen bereits sukzessive begann, als Kurz‘ Vorgänger noch in Amt und nicht in Würden waren. So gelang: „Die Junge ÖVP von 2010“ gleicht heute „der ÖVP von 2020“! Wie wird Österreich 2030 aussehen? Kein Geheimnis schließlich: Die tatsächliche Stärke einer „Kette“ erweist sich am schwächsten ihrer Glieder. Auch so kann oder soll man die Biografie lesen: wählend, wen es treffen wird. „Denn die verschworene Truppe“ sei nach Knittelfelder „inmitten“ ihrer „ultimativen Bewährungsprobe“!

Der Autor ist Geisteswissenschaftler und Co-Herausgeber des „Jahrbuchs für politische Beratung“ (Edition mezzogiorno).

Inside türkis - © edition a
© edition a
Buch

Inside Türkis

Die neuen Netzwerke der Macht
Von Klaus Knittelfelder
Edition a: 2020
224 S., geb., € 22,–

Buch

Herrschaft und Herrlichkeit

Zur theologischen Genealogie von Ökonomie und Regierung.
Homo sacer II.2
Von Giorgio Agamben
Suhrkamp 2010
361 S., TB, € 20,60

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