ÖVP-Chats: Es gibt ein Recht auf Wahrheit

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Es gilt die Unschuldsvermutung. Kaum ein Satz war in den letzten Wochen öfter zu hören. Die gegen Sebastian Kurz und seine Vertrauten im Raum stehenden Verfehlungen zu untersuchen, ist Gegenstand laufender Ermittlungsverfahren und damit Aufgabe der Justiz. Eine Vorverurteilung im strafrechtlichen Sinn ist daher selbstverständlich abzulehnen.

Eine politische und moralische Beurteilung der vorliegenden Chats – deren Echtheit von niemanden bestritten wird – ist aber nicht nur möglich, sondern sogar dringend geboten. Diese Diskussion muss geführt werden, denn wir sind uns in Österreich hoffentlich darin einig, dass die Grenze zur Bewertung der Integrität und Vertrauenswürdigkeit eines Politikers nicht alleine das Strafrecht sein kann. Die Grenzen des Anstands sind vorher zu ziehen. Oder ist neuerdings alles politisch legitim und in Ordnung, was nicht verboten ist?

Nicht überall in der ÖVP scheint sich diese Einsicht bislang durchgesetzt zu haben. Zwar rügte der ÖVP-Ethikrat die Wortwahl und den mangelnden Respekt in einigen der an die Öffentlichkeit gelangten Chats, betonte aber gleichzeitig, dass es sich um Äußerungen handelte, die nicht öffentlich getätigt wurden und „ohne Beachtung von Datenschutz und Privatsphäre öffentlich gemacht“ worden seien. Es wird also so getan, als sei es nicht in Ordnung, diese Konversationen zu veröffentlichen. Ein Argument, das genauerer Betrachtung unterzogen werden sollte.

Tatsächlich stellt der Schutz der Privatsphäre in einer liberalen Demokratie ein unverzichtbares und hart erkämpftes Rechtsgut dar. Und selbstverständlich hat jeder ohne Ansehen der Person einen Anspruch darauf – auch Spitzenpolitiker. Es gibt allerdings ein großes „Aber“ dabei: Nur weil etwas in einem Chat „salopp“ formuliert wurde, ist es noch lange nicht privat. Schon gar nicht, wenn es sich dabei um politisch relevante Vorgänge handelt, die von höchsten Amts- und Verantwortungsträgern unserer Republik auf ihren Diensthandys erörtert wurden.

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