Karl Schwarzenberg 1989 Prag - © Foto: picturedesk.com / brandstaetter images / Nora Schuster

Karl Schwarzenberg: Abschied von einem Europäer

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Erinnerung an Karel Schwarzenberg (1937–2023), Kämpfer für Mitteleuropa und Menschenrechte.

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Erinnerung an Karel Schwarzenberg (1937–2023), Kämpfer für Mitteleuropa und Menschenrechte.

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Als er Anfang November von Prag in ein Wiener Spital eingeliefert wurde, gab er sich noch einmal als böhmischer Patriot: Er glaube nicht, dass es in Wien bessere Ärzte gebe, meinte der Fürst in seinem für ihn typisch trockenen Humor. Aber seine Heimat war ohnehin Mitteleuropa.

Bei einem unserer letzten Gespräche warb er für umfassende Unterstützung der Ukraine. Wladimir Wladimirowitsch, wie er Putin gerne nannte, müsse vom Westen militärisch gestoppt werden, da er die Demokratie nach westlichem Modell zerstören wolle.

Schwarzenberg habe ich in den achtziger Jahren in der „Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte“ kennengelernt. Als die KSZE damals erstmals ein offizielles „Kulturforum“ für Politiker und Diplomaten in Budapest veranstaltete, lud der Fürst Schriftsteller, Philosophen und Journalisten zu einer Gegenveranstaltung in ein Budapester Hotel ein. Doch wir wurden – sicher auf Druck der Geheimpolizei – vor Beginn ausgeladen. Schnell war mit einem kleinen Gartenhaus eines ungarischen Schriftstellers Ersatz gefunden. „Vor ein paar Jahren wären wir vermutlich noch alle verhaftet und außer Landes gebracht worden“, sagte Schwarzenberg. „Es gibt doch Fortschritt im Kommunismus.“ Doch einige Jahre später, 2005, eskortierte ihn die kubanische Geheimpolizei vor einem Treffen mit Oppositionellen recht unsanft zum Flughafen.

Beim „Economic Forum“ im polnischen Kurort Krynica berichtete er mir, dass er zwischen „Orbán, Viktor“, wie er den ungarischen Premier immer in der ungarischen Namensfolge nannte, und dem polnischen PiS-Chef Lech Kaczyński sehr wohl zu unterscheiden wisse. Orbán habe ein korruptes System geschaffen, das seine Familie und enge Freunde schnell sehr reich gemacht habe, Kaczyński lebe dagegen bescheiden mit seinen zwei Katzen in einer Warschauer Wohnung.

„Das g’hört sich nicht!“ war auch eine seiner Lebensmaximen. So wurde ich vor vielen Jahren in seinem Auto auf der Fahrt von Alpbach nach Prag Ohrenzeuge eines heftig geführten Telefongesprächs mit einem engen Verwandten. Schwarzenberg musste sich Vorwürfe anhören, er habe leichtfertig auf die Rückgabe riesiger Ländereien und Schlösser verzichtet. Er selbst habe sich mit einem kleineren Landgut und dem Schloss Orlik zufriedengegeben, mehr zurückzufordern wäre ihm unanständig erschienen, sagte er. Sein tschechischer Chauffeur wirkte ein wenig traurig. Statt eines von diesem erhofften Mercedes hatte der Fürst soeben nur einen britischen Rover gekauft, „wie weiland Bruno Kreisky“ (Schwarzenberg).

Seine Liebe zu Österreich blieb ungebrochen, trotz mancher Enttäuschungen. Den Aufstieg von Sebastian Kurz kommentierte er kritisch, obwohl er in ihm „ein großes politisches Talent“ sah. Letztlich sei alles ein großer Schwindel gewesen, nicht nur die angebliche Schließung der Balkanroute. Sein schwieriges Verhältnis zu seinen Kindern zeichnete Tochter Lila vor einem Jahr im berührenden Dokumentarfilm „Mein Vater, der Fürst“ nach. Am 11. November starb er in einem Wiener Spital im Beisein seiner Familie.

Der Autor war Profil-Redakteur und ist Ehrenpräsident der von ihm zwischen 2014 und 2021 geleiteten „Association of European Journalists“ (AEJ).

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