Ungarische "displaced persons" auf dem Weg vom KZ Mauthausen zurück in ihre Heimat - © Foto: picturedesk.com / United States Information Servic / ÖNB-Bildarchiv (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

NS-Opfer: Geplatzter Traum von "Normalität"

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Der Wunsch, „endlich wieder ein Mensch zu sein“ statt einer Nummer, erfüllte sich für viele NS-Opfer auch nach dem 8. Mai 1945 nicht. Über Kontinuitäten nach der „Stunde null“.

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Der Wunsch, „endlich wieder ein Mensch zu sein“ statt einer Nummer, erfüllte sich für viele NS-Opfer auch nach dem 8. Mai 1945 nicht. Über Kontinuitäten nach der „Stunde null“.

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Gedenktage dienen der Sinn­stiftung. So wird vielfach der 8. Mai, das Inkrafttreten der Kapitulation Deutschlands, als Symbol für das Ende der faschistischen Herrschaft gefeiert. In den Gesellschaften der Nachfahren von Täterinnen und Tätern entzünden sich beim 8.-Mai-Gedenken regelmäßig Diskussionen, steht dieser Tag doch für die Niederlage der deutschen Wehrmacht – für viele Nationalsozialist(inn)en ein „Tag der Trauer“, der in deutschnationalen Kreisen teils auch öffentlich begangen wurde. Sichtbarstes Beispiel dafür war das „Totengedenken“ von Burschenschaften am Äußeren Burgtor in Wien. Um dieser Umdeutung besonders auf dem historisch belasteten Heldenplatz etwas entgegenzusetzen, veranstaltet das Mauthausen Komitee Österreich seit 2013 ebendort am 8. Mai das „Fest der Freude“. Und auch in Deutschland hat erst unlängst die Shoa-Überlebende Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees, angesichts des zunehmenden Antisemitismus dafür plädiert, den 8. Mai zum Feiertag zu erklären, um begreiflich zu machen, „dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war“.

Nach der Befreiung gestorben

Verlässt man die kollektive Ebene und geht der Frage nach, was der 8. Mai für Menschen ganz individuell bedeutete, so ist rasch erkennbar, dass dieses Datum meist von untergeordneter Relevanz ist: Vielen NS-Opfern gilt der Tag ihrer persönlichen Befreiung aus einem Lager als ­Gedenktag. Dennoch steht der 8. Mai 1945, das offizielle Kriegsende, symbolisch auch für das Überleben. Dies betraf alle NS-­Opfer, auch Roma bzw. Romnija und Juden bzw. Jüdinnen. Die kurze Euphorie der Befreiung wich bald einer dramatischen Erkenntnis: „Als ich befreit wurde, habe ich gedacht, dass die Welt jetzt mir gehört. Aber viele sind erst nach der Befreiung gestorben“, erinnert sich beispielsweise der Rom Anton Müller. Für jene, die die Folgen von Unterernährung etc. überlebten, stellte sich die Frage: Wie sollte es weitergehen? Die meisten hatten alles verloren: Familie, Freundinnen und Freunde, Hab und Gut. Viele kehrten zurück an jene Orte, die einst „Heimat“ gewesen waren, ehe sie gedemütigt, diskriminiert, verfolgt, beraubt, vertrieben worden waren. An Orte, wo Nachbar(inne)n sich an der Verfolgung beteiligt hatten. Gleichzeitig war man nun in dieser Nachkriegsgesellschaft auf ein gutes Miteinander mit ebendiesen angewiesen, wollte man wieder ein „normales“ Leben führen, sich „reintegrieren“.

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