Der verflixte Zeugungsstress

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Was ganz normale Frauen im besten gebärfähigen Alter alles aufführen, um endlich einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen zu halten. Nervenkitzel ohne Ende.

Es ist wie verhext, jammert meine Freundin im besten gebärfähigen Alter: Da habe ich immer höllisch aufgepasst, dass ja nichts passiert, und dann das, erzählt sie: Ich habe meine Ex-Männer sogar gebeten, ein Kondom zu verwenden, wenn ich die Pille einmal zu spät eingenommen habe, bin um die „Pille danach“ in die Notfallambulanz gehetzt, wenn ich einmal kurz nach der Pilleneinnahme erbrochen habe, und habe bis zum Eintreten „meiner liebsten Tage“ gezittert, wenn einmal das Kondom fast abgerutscht ist, als ich mit der Pille gerade pausierte. Und nun das!

Da haben wir – ein gesundes Paar von Mitte 30 – uns endlich durchgerungen, ein Kind zu haben, lassen endlich Pille, Kondom und Co weg, um uns frei und ungezügelt zu lieben, treiben auch außerhalb des Schlafzimmers reichlich Sport, haben das Rauchen eingestellt und das seit sechs Monaten – und nichts tut sich. Und wieder kam „sie“ (Regel, Periode, Tage … Tante) und ich brach in Tränen aus. Und nun sitze ich mit Taschentüchern und Schokolade hier bei dir.

Im ersten „Übungszyklus“, so wie das meine Leidensgenossinnen im Internet nennen, war ich noch voll Euphorie. Ich war mir so sicher, dass es gleich klappen würde. Es klappt ja sonst alles nach Plan. Gut, dann kam die Regel, ich zuckte noch mit den Schultern, weinte ein paar Tränen und postete im Internetforum: „Die Mens ist da. Ab in den 2. Übungszyklus. Lasse mich nicht unterkriegen“, schrieb ich den anderen „Hibbeltanten“ (so nennen wir uns, weil wir eben alle auf den NMT hinzittern oder hinhibbeln – übrigens, der NMT ist jener Tag, an dem die Stunde der Wahrheit geschlagen hat: Kommt sie oder kommt sie nicht). Manche meiner Hibbeltanten „üben“ schon zehn Monate, andere posten nach einem Monat: „Positiv!“ Und was nützt da der Hinweis meiner Ärztin auf die Statistik: Ein gesundes Paar, das zum besten Zeitpunkt eines Zyklus ungeschützt Sex hat, hat eine 25 bis 30 prozentige Chance, schwanger zu werden. Und das gilt für junge Frauen, nun gut, ich mit meinen 35 Jahren muss mich noch nicht irremachen. Aber ab nun geht es steil bergab mit meiner Fruchtbarkeit, ist der zweite Satz meiner Ärztin. Sehr erbauend.

Tränen in der Toilette

Beim zweiten Übungszyklus war ich immer noch locker, ich lagerte nach dem Sex an den fruchtbaren Tagen meine Beine hoch, so kommt das Sperma doch schneller ans Ziel, hoffte ich. Dann hieß es wieder zwei Wochen zittern, ich hörte ganz tief in meinen Körper hinein: Spüre ich etwas, was anders ist, soll ich einen Schwangerschafts-Frühtest wagen? Ich wagte es: Negativ. Vielleicht doch zu früh. Dann an jenem hektischen Tag im Büro kam „sie“ – gnadenlos. Ich brach am Klo in Tränen aus. Ab in den dritten Zyklus. Diesmal begann ich, meine Basaltemperatur täglich in der Früh zu messen. Am Tag nach dem Eisprung steigt die Temperatur ca. um 0,5 Grad an. So kann man feststellen, ob man einen Eisprung hat. Ich maß also brav jeden Morgen, probierte auch zum ersten Mal die Teststäbchen, die ebenso einen Eisprung anzeigen. Alles bestens, die Teststäbchen waren positiv. Endlich ist etwas positiv! Auch die Temperatur stieg schön. Meine Hibbeltanten jubelten. Ich versuchte, nicht ständig daran zu denken. Die anderen im Forum, die neidvoll beäugten Schwangeren, raten: „Ja nicht darauf versteifen. Als ich mir einen Hund kaufte und eine Weltreise buchte – genau in dem Zyklus wurde ich schwanger.“

Die Nervosität steigerte sich bis zum Tag der zu erwartenden Regel ins Unerträgliche. Pünktlich zur anstrengenden Dienstreise kam „sie“ doch. Bei der Tagung saß ich zum Frühstück einer netten Frau gegenüber, und was meinst du, was die mir erzählte: Sie frühstücke nicht, da ihr morgens immer so übel sei. Genau, sie ist schwanger und hat nur einmal nicht aufgepasst. Ich versuchte, freundlich zu lächeln. Im nächsten Zyklus ließ ich das Messen der Temperatur weg, es nervte mich. Ich beobachtete genau das Sekret des Gebärmutterhalses. Hat es eine bestimmte Konsistenz, dann ran an den Mann, schreiben meine Hibbeltanten. Doch als es so weit war, saß ich gerade in einer hitzigen Besprechung. Ich schrieb meinem Freund eine SMS. Doch Abends ging er mit einem Kumpel Kegeln. Das gemeinsame Frühstück am folgenden Tag verlief schweigsam. Und auch dieser Zyklus war erfolglos, diesmal ersparte ich mir wenigstens das Hibbeln.

Eine Wahrsagerin als Mutmacherin

Ich dachte darüber nach, was ich noch tun könnte: Yoga, Akupunktur oder Homöopathie. Im Internetforum bietet eine Frau ihre Dienste als Kartenlegerin an. Die Mädels sind fast hysterisch, wenn sie sich meldet. Die Wahrsagerin mit dem Nickname „Susi21“ schrieb mir: „Dein Wunschkind kommt im September zur Welt.“ Nein, da hätte ich im Dezember schwanger werden sollen, der ist doch schon vorbei, soll ich jetzt noch ein Jahr warten? Frustriert antwortete ich ihr: „Ich glaube nicht an solch einen Humbug!“ Und ab in den sechsten Übungszyklus. Beim Yoga meinte eine Frau, die drei Kinder hat: „Also ich würde nach einem halben Jahr zum Arzt gehen und mich durchchecken lassen, und den Mann nimmst du auch gleich mit.“ Nach dieser Yogasitzung ging ich wenig entspannt nachhause. Und der Sex macht auch langsam keinen Spaß mehr.

In den Zeitungen diskutieren sie die Rezeptbefreiung der Pille danach. Die Welt ist verkehrt. Ich kann es nicht mehr hören. Auch nicht die Geschichten vom fruchtbaren Seitensprung des Boris Becker in der Besenkammer. Und auch nicht die beruhigenden Worte meiner Ärztin: „Bei Ihnen ist alles in Ordnung. Auch bei Ihrem Mann. Bedenken Sie, der fruchtbarste Tag ist einen Tag vor dem Eisprung.“ Als ob ich das nicht wüsste! Am Ultraschall-Monitor mitten im sechsten Zyklus sahen wir gemeinsam den rechten Eierstock kurz vor der Ovulation. Ich rief: „Danke!“ „Heute Abend darf Ihr Mann aber nicht Kegeln gehen“, gab die Ärztin mir mit auf dem Weg. Mein Mann ging nicht Kegeln; und wieder zwei qualvolle Wochen.

Irgendwas war diesmal anders, bildete ich mir ein, ich war am zehnten Tag nach dem Eisprung angelangt. Ich spürte leichte Übelkeit am Morgen. Der Tee schmeckte mir nicht, das Parfum der Kollegin mochte ich noch weniger. Ich wurde aufgeregt. Dann der große Tag, rot markiert im Kalender: NMT (der Nicht-Menstruations-Tag). Und erstmals, sie kam nicht! Am Tag eins nach dem „NMT“ postete ich: „Mens nicht in Sicht, morgen früh teste ich.“ Die Hibbeltanten flippten aus. Am nächsten Morgen machte ich zitternd den Test, drehte das Teststäbchen im Licht hin und her, machte ein Foto, stellte es ins Netz, die Hibbeltanten schrieben mir: „Ich sehe leider keine zweite Linie.“ Verdammt, ich auch nicht!

Also warte ich auf meine „Tage“ und ab in den siebten Übungszyklus. – Und vor lauter Schokolade-Essen muss ich mich auch schon gleich übergeben. „Übergeben?!“ kreischen wir beide im Gleichklang.

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