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Notstand und mögliche Abhilfe

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So entsteht für die Lebensform des Priesters in der industriellen Gesellschaft geradezu ein Notstand, der nach Abhilfe schreit. Viel priesterliche Arbeitskraft und Arbeitszeit und manchmal auch Arbeitsfreude gehen dadurch verloren, daß die notwendige Häuslichkeit im eigenen Heim fehlt und für die leiblichen Bedürfnisse nicht gesorgt ist. Begreiflicherweise kann unter diesem Notstand auch die priesterliche Bildung nicht steigen, sondern sie wird eher abnehmen.

Gibt es keinen Ausweg aus dieser Situation? In der Kirchengeschichte hat es nicht nur einmal große Notstände und die Gefahr des Verfalles für den gesamten Klerus gegeben, so im 10. Jahrhundert und so wieder im ausgehenden 15. Jahrhundert. Jedesmal hat dieser Notstand zur Bildung von Priesterkollegien geführt, die auf der Basis des gemeinsamen Lebens sowohl eine religiös-aszetische wie auch eine bildungsmäßige Erneuerung des Klerus herbeiführte. Es sind die Regular-kleriker, die nach der Regel des Bischofs Chrodegang von Metz das gemeinsame Leben der Weltpriester organisierten und damit den Priesterstand zu neuer Blüte führten.

Wenn heute die Gefahren des Verfalles der priesterlichen Lebensform auch ganz andere Wurzeln haben als früher, so scheint uns doch die Abhilfe dieses Notstandes wiederum auf dem gleichen Wege des gemeinsamen Lebens erreichbar. Es sei hier noch angefügt, daß auch die Propositionen über den Priester, die das II. Vatikanische Konzil noch nicht erledigt hat, vom gemeinsamen Leben der Priester sprechen und es empfehlen.

Technik im Dienst der Gemeinschaft

Das gemeinsame Leben der Weltpriester ist heute sogar leichter durchführbar als in früheren Zeiten. Die Technisierung, Telephon und Dienstwagen, erleichtern die Erreichbarkeit und Beweglichkeit des Priesters so sehr, daß er nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe seiner Pfarrgemeinde wohnen muß. Es genügt, daß er dort seine Diensträume hat und untertags die entsprechenden Dienststunden einhält beziehungsweise zum Dienst in Schule und Kirche anwesend ist. Das Zusammenleben in größeren Priestergemeinschaften brächte auch noch andere Vorteile. Für einen größeren Haushalt können leichter die notwendigen Haushaltshilfen gefunden und finanziert werden, die priesterliche Gemeinschaft schafft die Möglichkeit einer öfteren Aussprache und der priesterlichen Weiterbildung, Bücher und Zeitschriften können entweder gemeinsam angeschafft oder wenigstens gegenseitig ausgetauscht werden. So könnten auch wieder gepflegte Pfarr- oder Priesterhäuser entstehen, in denen echte priesterliche

Kultur und Gemeinschaft gepflegt werden. Vielleicht müßten zuerst einige Vorbilder geschaffen werden in Gegenden und durch Priester, die für dieses Ideal besonders geeignet sind.

Die bereits bestehenden Möglichkeiten priesterücher Gemeinschaft, wie religiöse Priestergemeinschaften, Kleruskonferenzen, Säkularinstitute für den Weltklerus, werden dadurch nicht überflüssig. Sie können jedoch die Vorteile der vita communis nicht ersetzen.

Ein neues Leitbild

Wir brauchen heute ein neues Leitbild des Seelsorgepriesters, der durch eine zeitgemäße Bildung und Lebensform der geistigen und religiösen Führungsaufgabe in der modernen Gesellschaft voll und ganz gewachsen ist. Ein solches Leitbild sollte bald geschaffen werden. Die Möglichkeit, dies zu tun, scheint durchaus vorhanden zu sein. Es gibt genügend größere Pfarrhöfe, in denen eine Priesterkommunität gebildet werden könnte. In der Stadt und vielfach auch auf dem flachen Land sind die Entfernungen zu den Pfarrkirchen, die von einer solchen Priesterkommunität betreut werden könnten, nicht so groß, daß sie nicht überwunden werden können. Auch in manchen österreichischen Stiften könnten die Pfarrseelsorger gemeinsam im Stift wohnen.

Von welcher Bedeutung könnte diese Form von Priesterkommuni-täten namentlich für die Neupriester und die junge Priestergeneration werden, die erst in das Leben des Seelsorgers hineinwachsen müssen! Für sie bedeutet die Isolierung meist das Abgeschnittensein von der lebendigen Schule der Begegnung mit den Männern der Praxis. Seelsorgetagungen und -Schulungen vermögen nie zu ersetzen, was der tägliche Erfahrungsaustausch und der Kontakt mit den arbeitenden Mitbrüdern zu geben vermag.

In der Epoche einer das ganze Leben der Kirche umfassenden Neubesinnung kann man wohl kaum an der Frage nach der zeitgemäßen priesterlichen Lebensform vorbeigehen. Wo das Verhältnis Priester— Laie ganz neu durchdacht wird, ist auch die Besinnung auf die Lebensweise des Priesters fällig.

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