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Grundeinkommen im Alter

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Fortsetzung Von Seite 2

Der eigentliche „Systembruch" des Grünen Pensionsmodells liegt im Grundeinkommen im Alter. Abhängig vom Familienstand erhalten alle, die die Altersgrenze von 62 Jahren erreicht haben, 14 mal jährlich 5.600 (Alleinstehende: 8.000) Schilling. Dieses Grundeinkommen wird in erster Linie durch den bisherigen Bundesbeitrag (die rund 120 .Milliarden entsprechen einem Drittel der Gesamtaufwendungen) finanziert. Dazu kommt ein Eigenbeitrag von 500 Schilling monatlich, der von allen volljährigen Personen (beziehungsweise für sie) aufgebracht werden muß: für Erwerbstätige wird dieser Beitrag vom Pensionsbeitrag abgezogen, für Nichterwerbstätige zahlt der Partner mit, für Personen mit niedrigen (oder ohne) Einkommen wird der Eigenbeitrag von der Gemeinde geleistet. Alle im Alter haben einen eigenständigen Pensionsanspruch (Grundsatz der Individualisierung und Universalisierung sozialer Rechte).

Durch den Eigenbeitrag, der mit den 500 Schilling derzeit wahrscheinlich noch zu hoch angesetzt ist, unterscheidet sich das Grüne Modell vom Konzept der Volkspension und orientiert sich auch an anderen Vorbildern (Schweiz, Großbritannien).

Das Grüne Modell geht von der Pflichtversicherung für alle aus.

Die bisherigen, über die verschiedenen Pensionsträger in verschiedenen Pensionssystemen ausgestalteten Pensionsleistungen werden vereinheitlicht, nach versicherungsmathematischen Kriterien berechnet und auf das Grundeinkommen aufgesattelt. Im Grünen Pensionsmodell gibt es keine ASVG-Pension mehr, keine Bauern- oder Selbständigenpension, keinen Ruhegenuß für Pragmatisierte, daher auch keine unterschiedlichen Bundeszuschüsse für die einzelnen Systeme, sondern eine klar berechenbare, rein von der Dauer und der Höhe der Beitragszahlungen abhängige „zweite Säule", die so wie die erste über das Umlageverfahren finanziert wird.

Der Pensionsantritt für die zweite Säule kann - wie bisher - mit 60 Jahren erfolgen. Im Prinzip wäre auch ein früherer (oder späterer) 1 ermin denkbar

Die Erwerbslebenszeit als starren, erratischen Block gibt es nur mehr für eine Minderheit von Erwerbstätigen. Arbeitslosigkeit, Berufswechsel, Kinderbetreuung und Pflegearbeit .bedingen schon jetzt Unterbrechungen. Im Grünen Pensionsmodell sind auch bis zu zwei Jahre Arbeitsurlaub als Unterbrecher vorgesehen: zwei Jahre, ,die für Aus-und Weiterbildung, für eine kreative Ruhepause, für die Familie, für Erholung, gegen das Ausbrennen („Burn-Out", siehe FURCHE 42/95, Anm. d. Bed.) genutzt werden können und den Pensionsantritt um zwei Jahre verzögern.

Bei Partnerschaften (Ehe und Lebensgemeinschaft) soll eine Aufteilung (Splitting) der in der gemeinsamen Zeit erworbenen Ansprüche der zweiten Säule (Versicherungspension) erfolgen und so auch das bisherige System der Witwer- und Witwenpensionen weitgehend ersetzt werden. Im Grünen Pensionsmodell ist das Pensionssplitting verpflichtend und nicht nur im Scheidungsfall vorgesehen.

Das bisherige Pensionssystem kennt keine eigentliche Mindestpension, wohl aber eine Höchstpension (Ausnahme: Pragmatisierte). Im Grünen Pensionsmodell wird eine klare Relation zwischen Mindestpension (entspricht dem Grundeinkommen) und Höchstpension von 1:5 eingezogen. Die Dynamik, die derzeit durch das Auseinanderdriften zwischen den Systemen gegeben ist, wird also klar begrenzt.

Das Grüne Pensionsmodell ist -wenn das grundlegende Prinzip und damit der Systembruch durchschaut ist - einfach und transparent. Die Solidarleistungen der Sozialversicherung werden fast zur Gänze in die Stufe 1, das Grundeinkommen, transferiert und nach einigen wenigen und klaren Regeln gestaltet. Stufe 2 funktioniert nach rein versicherungsmathematischen Kriterien. Damit wird die Anfälligkeit für politische Versprechen an besondere Gruppen, aber auch die Komplexität des Systems mit seinen vielen undurchschaubaren Regeln, verringert. Natürlich enthält das Grüne Pensionsmodell noch weitere Elemente, etwa mehr und bessere Möglichkeiten für einen flexiblen Pensionsantritt, bessere Regelungen für Invalide und so weiter.

Eines der größten Probleme, die von Versicherungsbeiträgen abhängige Finanzierung und damit die Zukunft der Pensionen (Stichworte: Generationenvertrag, Pensionslastquote) haben wir in der ersten Runde nur unzureichend behandelt. Wir werden in diesem Zusammenhang das Thema Wertschöpfungsabgabe und Ökologisierung des Steuersystems diskutieren müssen. Die Antwort auf die Frage, wann die Umstellung auf das Grüne Pensionsmodell erfolgen soll, könnten wir theoretisch bereits jetzt geben (denkbar wäre etwa die Bewertung bis zum Zeitpunkt X = 2000 nach dem alten Modell, nach dem Zeitpunkt X nach dem neuen, also eine „Mischpension"). Es ist allerdings in der Praxis eher zu befürchten, daß die Koalitionsparteien weitere Jahre mit Ankündigungspolitik verstreichen lassen und so erst recht die Krise des Pensionssystems fördern.

Der Autor ist

Sozialsprecher der Grünen.

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