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Herr N. und die Familie

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Die Familie, von der hier die Rede ist, ist eigentlich ein Normalfall: der Mann N., die Frau, zwei Buben, zwei Mädel, 14, 12, 10 und 8 Jahre alt. Da Erziehung und Pflege der Kinder allem vorangeht, ist seine Frau nicht berufstätig, und N. ist daher Alleinverdiener und Alleinerhalter der Familie. Vermögen keines.

Der Traum beider Eltern war ursprünglich: Viele Kinder.' Die Kalkulation sah folgendermaßen aus: Eine kleine Pension aus einer 12jährigen Dienstzeit beim Staat (Polizei-instruktor an der Polizeischule in Wien) und das Einkommen eines Angestellten müßten zusammen die Möglichkeit geben, auch in nicht sehr glücklichen Zeiten eine größere Familie zu erhalten. N. trat im Juni 1938 (!) freiwillig aus dem Staatsdienst aus und ist seit vielen Jahren bei einer sehr sozial eingestellten Weltfirma angestellt. Bis 1954 bezog er ein Bruttogehalt von S 2200.— und zirka S 100O.— Pension.

Der erste Gedanke für den Außenstehenden: Diese beiden Einkommen ergeben doch eine wenn auch knappe Möglichkeit zur Erhaltung einer sechsköpfigen Familie. Sein Dienstgeber erlaubt ihm außerdem Ueberstundenleistung, und so scheint es tatsächlich möglich, die Kinder (vorläufig drei), da Realgymnasium besuchen zu lassen. Sie sind begabt, kosten aber eine Unmenge Geld.

Nun aber kommt der familienfördernde Vater Staat und sagt: Auf Grund des 76 und 77 des Einkommensteuergesetzes werden Sie aufgefordert... und die beiden Einkommen werden zusammengelegt und neu als ein Betrag versteuert. Die Differenz zur bereits einbehaltenen Lohnsteuer beträgt dann S 2180.90.

Ein Einspruch und Aufklärung der Familienverhältnisse nützt nichts, es gelingt lediglich eine Ratenbewilligung von S 300.— monatlich. Hätte N. den Betrag sich verschaffen können, hätte er ihn sofort bezahlt, um nicht monatlich aufs neue den seelischen Erschütterungen ausgesetzt sein zu müssen, wenn termingerecht die Steuerstrafe bezahlt werden muß.

Und nun hat N. für das Jahr 195 5 die gleiche Aufforderung zur Abgabe des Jahresausgleiches erhalten. Sein Gehalt hat sich durch Fleiß und Anerkennung inzwischen auf S 2400.— und die Pension auf S 1085.— erhöht. Man sollte glauben, daß dies ein freudiger Anlaß ist. Ein unverbindlich errechneter Ueber-schlag aber hat eine Nachtragslohnsteuer von S 600 0.— ergeben. Der Eifer im Dienst, die Opfer der Ueberstunden rächen sich jetzt mehrfach.

Also war die Kalkulation falsch, welche für den Lebensweg einer kinderreichen Familie erstellt wurde!

Die gesetzliche Bestimmung ist bekannt: Uebersteigen zwei Einkommen den Grenzbetrag von S 36.000.— pro Jahr, so ist das Plus neu zu versteuern. Bei der Berechnung wird noch dazu folgender, geradezu hinterlistige Vorgang eingehalten: Nicht das Plus über dem Grenzbetrag wird versteuert, sondern die Gesamtsumme der beiden Jahreseinkommen. Bei der rasanten Progression der Lohnsteuer wirkt sich dann der Jahres-betrag so ungerecht aus.

Und alles zusammen heißt: Familienförderung.

Zu bemerken wäre noch, daß der genannte Grenzbetrag von S 36.000.— sich nun schon drei Jahre unverändert hält, obwohl in dieser Zeit mehrmals Lohnerhöhungen stattgefunden haben und auch der Lebenshaltungsindex nicht der gleiche blieb.

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