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Nehmt Mafiosi das Geld weg!

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Als nach dem Machtwechsel in der ehemaligen UdSSR einige Leute dort das schnelle Geld machten und damit in den Westen gingen, war auch Österreich ein beliebtes Reiseziel. Trotzdem war in den ersten Jahren die sogenannte russische Mafia mit freiem Auge eigentlich nicht zu erkennen. Die neuen Reichen kauften sich Villen, legten ihr Vermögen, auf welche Weise immer erworben, möglichst gewinnbringend an und ließen es sich so richtig gutgehen.

Ihr größtes Interesse war, daß im schönen Wien alles ruhig blieb - am allerwenigsten war ihnen daran gelegen, daß niederrangige Kriminelle ihrer eigenen Organisation hierher kamen und Radau machten. Genau das ist allerdings passiert.

„Die Capos wandern ab, die Indianer kommen nach", beschreibt Walter Pretzner, Leiter der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (EDOK), die derzeitige Situation.

Neben der Wirtschaftskriminalität geht es jetzt auch eine Etage weiter unten los: Russen steigen ins Prostitutionsgeschäft oder in die Schutzgelderpressung ein.

Das Hauptgewicht liegt trotzdem weiterhin auf klassischen Wirtschaftsverbrechen. „Pro .Monat werden in Österreich zehn bis 15 GesmbH mit russischen Geschäftsführern oder Gesellschaftern gegründet", weiß Pretzner und erzählt von Geschäftslokalen in bester Wiener Innenstadtlage, in denen lediglich eine Sekretärin mit einem Telefon sitzt. Manchmal gibt es auch keine Sekretärin und kein Telefon, sondern nur ein Lokal. Der Hintergrund: Russische Staatsbürger benötigen für die Ausreise die Einladung eines Gastlandes. Um diese kümmern sich derartige Scheinfirmen. „In Österreich hat es noch nie so viele Russen gegeben", sagt Pretzner. Bis zu 400 Visa-Anträge werden täglich in der österreichischen Botschaft in Moskau eingereicht.

Die EDOK versteht sich nicht nur als repressive Einrichtung, sie arbeitet auch präventiv mit den Geldinstituten zusammen, um verbrecherische Transaktionen im Keim zu ersticken. „Was wir zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität beitragen können, ist nicht, einen russischen Mafioso vor Gericht zu bringen", schildert der EDOK-Chef seine Aufgabe. „Ich will ihm das Geld wegnehmen." Und zwar so oft, bis er freiwillig Österreich verläßt, weil es sich für ihn nicht mehr lohnt, hier Geschäfte zu machen. Eine Taktik, die durchaus Erfolg verspricht: Wirtschaftsverbrecher sind, wenn es um ihr Geld geht, äußerst sensible Menschen und weichen recht rasch in ein ruhigeres Land aus. Pretzner bedauert in diesem Zusammenhang die seiner Meinung nach zu geringen rechtlichen Möglichkeiten der österreichischen Polizei. Stichworte: Lauschangriff und Kronzeugenregelung. Letztere existiert nicht nur in den USA, sondern etwa auch in Italien und mildert das Strafausmaß von Kriminellen, die die Justiz bei der Verbrechensaufklärung aktiv unterstützen.

Auch das Abhören konspirativer Gespräche wäre eine große Hilfe bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Der EDOK-Chef erläutert dies anhand eines Beispiels. „Wir bekamen von der amerikanischen Polizei einen Hinweis, daß sich zwei hochrangige US-Mafiosi in einem Wiener Hotel treffen würden. Die amerikanischen Kollegen baten uns, ihnen zu sagen, was die beiden besprochen hätten." Da es jedoch der österreichischen Polizei nicht erlaubt war, das Hotelzimmer zu verwanzen, konnte sie lediglich nach Übersee melden, daß die beiden Capos hier gewohnt hatten und wann sie wieder abgereist waren. Sonst nichts.

Man wolle mit dem „Lauschan griff nicht in österreichische Schlafzimmer hinein, weist Pretzner etwaige Befürchtungen zurück. Und viel leicht könne auch die Kronzeugejnre gelung nicht exakt nach ausländi sehen Vorbildern übernommen wer den - aber, so der EDOK-Leiter: „Ohne diese Instrumente haben wir keine Chance gegen die Organisierte Kriminalität."

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