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Das Wiener Schottengymnasium feiert seinen 200. Geburtstag. Wolfgang Schüssel und Christoph Chorherr stellen sich mit Glückwünschen ein.

Ein Schuljubiläum wie "200 Jahre Schottengymnasium" ist wohl für jeden "Alt-Schotten" Anlass, sich an seine eigene Schulzeit dort zurückzuerinnern. Wenn man acht Jahre lang ein Gymnasium besucht, so prägt das für das ganze Leben - das war auch bei mir so. Das Schottengymnasium ist viel mehr als "nur eine Schule". Es war gewichtiger Teil meines Lebens und gab mir wichtige Grundlagen fürs Studium und für die spätere Berufslaufbahn mit - von meinen Anfängen als Sekretär im Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei bis zum späteren Bundeskanzler dieser Republik. Ich habe nicht nur ein fundiertes Grundwissen vermittelt bekommen, sondern auch die Liebe zur Musik und zum Sport wurden geweckt.

Wissensvermittlung wird bei den Schotten groß geschrieben - aber eben nicht nur. Die Schule vermittelt Liebe zur Heimat Österreich, die Bedeutung gemeinsamer Werte oder das Gefühl dafür, was Freundschaft wirklich heißt. Nicht zuletzt gab es in der KSJ sehr fruchtbringende, interessante Diskussionen über Gesellschaft, Politik oder Religion. Damals fiel auch unter dem damaligen Jugendseelsorger der KSJ, Paul Heinrich Ferenczy - dem späteren Abt -, die Entscheidung, eine Schülerzeitung zu gründen und den Keller der Schule zu einem gemütlichen Jugendzentrum umzubauen, das es bis heute gibt. In der christlich-benediktinischen Tradition des Schottengymnasiums wurden die jungen Menschen - wie es auch heute noch im Schulprogramm enthalten ist - zu bewussten Entscheidungen angeregt. Und ganz im Sinne des Hl. Benedikt: "Sie sollen einander in gegenseitiger Achtung zuvorkommen."

Dieses Jubiläum ist aber auch Anlass, sich über die Zukunft der Schule Gedanken zu machen. Die ÖVP steht für eine Weiterentwicklung des Schulsystems. Wir müssen das Kind in seiner umfassenden Stärke mit all seinen kreativen und musischen Fähigkeiten entwickeln lassen. Es ist die Aufgabe von Bildung und sozialer Kompetenz, die jungen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Wahlfreiheit und Differenzierung sind für uns die entscheidenden Faktoren und erstrebenswerten Ziele in der Bildungsdiskussion so wie in allen anderen Lebensbereichen. Wir brauchen ein differenziertes Bildungssystem, eine stärkere Hauptschule, mehr Durchlässigkeit - und auch ein starkes Gymnasium, wie dies beispielsweise die Schotten sind.

Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler a. D., ist Klubobmann der ÖVP im Parlament und hat 1963 am Schottengymnasium maturiert.

Beim Rückblick auf acht Jahre Schottengymnasium, vier davon im "Halbinternat", fällt es schwer die Bilanz der Schule vom Elternhaus zu trennen. Denn vor allem anderen, das schreibe ich in großer Dankbarkeit, gelang es der Schule und meinen Eltern, mir das große, reiche Feld der Sprache zu eröffnen. Es war notwendig, bei einer Schularbeit Stunden über einem kurzen Rilke-Gedicht zu dampfen, gezwungen zu sein, konzentriert die Sprachmelodie wahrzunehmen. Die Welt der Lyrik haben sie mir damit eröffnet. Wie überhaupt die Kunst, sich mündlich wie schriftlich ausdrücken zu können, nein, sich ausdrücken zu müssen.

Oder: der mir immer als Strafe verordnete "Kunstgenuss". Denn: Ich war ein sehr schlimmer Schüler. Meine Mutter war wöchentlich zum Elterngespräch geladen. Einmal, da ging es ihr wie mir gar nicht besonders gut, kam sie mit der Adresse eines Psychiaters nach Hause. Den hatte ihr mein Physikprofessor mitgegeben, nachdem er sie schlicht mit "Die arme Frau, Sie!" begrüßt hatte. Drum war ich strafweise fast täglich zum "Kunstgenuss" verdonnert. Dabei ging es schlicht darum, ein Gedicht bis zum nächsten Tag auswendig zu lernen, um es dann - als Kunstgenuss eben - vor der Klasse vorzutragen.

Nicht nur Sprache, auch das Rebellische an der Philosophie wurde uns nicht vorenthalten. Als im Unterricht Nietzsche unerwähnt blieb und ich, der schlicht seinen Namen irgendwo aufgeschnappt hatte und sich durch dessen Nennung wichtig machen wollte, fragte: "Warum fehlt er?", erhielt ich die aus dem Mund eines Benediktinermönchs (aus heutiger Kenntnis) sehr ehrliche Antwort: "Zu gefährlich!" Womit mein Interesse an diesem Sprachgenie und radikalen Denker erst recht geweckt war.

Die Präpotenz, die viele ehemaligen Schotten unterstellen, sei hier positiv hervorgehoben: Man lernte Selbstvertrauen; durch Anstrengung, Phantasie und Chuzpe kann man es weit bringen, kann viel verändern.

Abschließend meine zentrale Kritik, die ausschließlich auf meiner persönlichen Erfahrung von vor doch schon fast vier Jahrzehnten fußt: In einigen - nicht allen - Fächern wurde Angst ganz bewusst als pädagogisches Instrument eingesetzt. Wenn Träume irgendetwas über den Seelenzustand eines Menschen aussagen: Diese Angstzustände verfolgen mich, selten aber doch, bis heute.

Aber wahrscheinlich gibt es das heute nicht mehr.

Christoph Chorherr ist Gemeinderat der Grünen in Wien und hat 1978 am Schottengymnasium maturiert.

Jubiläum

Vor zwei Jahren beging das Schottenstift auf der Freyung in Wien sein 850-Jahr-Jubiläum, heuer feiert das zum Stift gehörige Gymnasium 200. Geburtstag. Am 4. November 1807 eröffnete der damals frischgebackene Abt Andreas Wenzel mit einem Festgottesdienst die Schule, am 6. November begann der reguläre Unterricht. Die Gründung der Schule entsprang damals allerdings nicht der Initiative des Klosters, vielmehr sah sich die Obrigkeit aufgrund des eklatanten Mangels an Gymnasialplätzen veranlasst, den Konvent per Dekret zur Errichtung einer Schule aufzufordern. Acht Lehrer gab es anno 1807 am Schottengymnasium, 148 Buben wurden in die erste Klasse aufgenommen. Heute unterrichten knapp 50 Lehrerinnen und Lehrer, darunter fünf Mönche, rund 430 Schüler und, seit 2004/05, auch Schülerinnen. Gleichgeblieben ist indes die grundsätzliche Ausrichtung der Schule: Vermittlung umfassender Allgemeinbildung auf Basis christlicher Werte, in benediktinischem Geist. Ein Programm, dessen Umsetzung nicht eben leichter geworden ist. RM

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