Lettland: Zwischen Schule und Arbeit
Lettland will dem Arbeitskräftemangel mit einer dualen Berufsausbildung begegnen. Welche Lehren zieht das baltische Land aus dem österreichischen System? Ein Lokalaugenschein.
Lettland will dem Arbeitskräftemangel mit einer dualen Berufsausbildung begegnen. Welche Lehren zieht das baltische Land aus dem österreichischen System? Ein Lokalaugenschein.
Hoch konzentriert überwacht Valery, was der 3D-Drucker ausgibt. Um ihn herum herrscht Aufbruchsstimmung. Vor wenigen Minuten hat die Schulglocke geläutet. Während seine Klassenkameraden die Computer- und Kreativwerkstätte verlassen, späht Direktorin Ilze Brante mit den Gästen durch die Türe. Die Bilder an den Wänden zeugen von der Qualität der kreativen Arbeit der Schülerinnen und Schüler.
Die Bildschirme sind mittlerweile schwarz. Nur der PC von Valery läuft noch, denn er möchte sein Projekt weiterbringen. Noch erkennt man kaum, worum es sich dabei handelt. Der Informatik-Schüler zeigt aber stolz auf den Computerbildschirm mit der Visualisierung des Objektes, das nebenan gedruckt wird. Das Gefäß soll ihm in weiterer Folge nicht nur eine gute Note, sondern vor allem einen Nachweis seiner Kompetenzen für den Berufseinstieg bringen.
Valery ist einer von mehr als 1000 Schülerinnen und Schülern, die in der Stadt Ogre, 36 Kilometer südöstlich der lettischen Hauptstadt Riga, die berufsbildende „Ogres Tehnikums“-Schule besuchen. Eine gewisse Stundenanzahl in der Woche haben er und seine Mitschülerinnen und -schüler in einem Unternehmen zu absolvieren. Das Konzept der Schule erinnert an eine Mischung aus BHS und Berufsschule, wie man sie aus Österreich kennt. In Ogre wurden vor mehr als zehn Jahren drei berufsbildende Schulen der Region zu einem Campus zusammengelegt und mittels EU-Geldern umfassend saniert.
Heute wird die Schule vom lettischen Bildungsministerium als Aushängeschild präsentiert. Das Land setzt seit 2013 auch auf eine duale Berufsausbildung nach Vorbild der Ausbildungssysteme in Österreich, Deutschland oder der Schweiz. Es ist der Versuch einer Antwort auf den immer stärker um sich greifenden Fach- und Arbeitskräftemangel.
Anerkennung für qualifizierte Kräfte
Schauplatzwechsel nach Riga: In der historischen Altstadt haben sich Lokale großer Ketten angesiedelt. Dazwischen finden sich vereinzelt Souvenirshops. Ein großer Teil der Auslagen im Zentrum ist aber leer. Oft erinnern nur die Ränder abgenommener Schilder an die hier einmal angesiedelten Geschäftslokale. Vielfach waren es Gastronomiebetriebe, die Corona und die anschließende Teuerung in die Knie gezwungen haben.
Der Präsident des lettischen Restaurant-Verbandes, Jānis Jenzis, nennt aber noch eine weitere Ursache: „Niedriglöhne, die längsten Arbeitszeiten, nachts, an den Feiertagen“, erklärt er und meint, „wir hatten das Problem bereits vor Covid“.
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