Marietta Blau - © Foto: Hans Pettersons

Pionierinnen der Forschung: Schau, schau, eine Frau!

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Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) stellt „ihre“ Forscherinnen in einer Sonderausstellung in den Mittelpunkt. Sie waren Pionierinnen in ihren Fächern, Nobelpreise blieben ihnen aber verwehrt. Was wir von ihren Lebensgeschichten lernen können.

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Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) stellt „ihre“ Forscherinnen in einer Sonderausstellung in den Mittelpunkt. Sie waren Pionierinnen in ihren Fächern, Nobelpreise blieben ihnen aber verwehrt. Was wir von ihren Lebensgeschichten lernen können.

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Kennen Sie Marietta Blau, Lisbeth Schäfer oder Maria Junker? Diese drei österreichischen Forscherinnen haben für die Wissenschaft Großes geleistet, sind danach aber, wie so oft bei Frauen, in Vergessenheit geraten. Dem will die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nun entgegenwirken.

Sie widmet den Pionierinnen die Sonderausstellung „Forscherinnen entdecken: Frauen an der Akademie der Wissenschaften“, die bis 31. Jänner besucht werden kann. Anlass der Ausstellung ist das 50-Jahr-Jubiläum der Wahl der Physikerin Berta Karlik zum ersten weiblichen wirklichen Mitglied der Akademie. Die Ausstellung wurde von den Historikerinnen Brigitte Mazohl und Sandra Klos gestaltet. Aber warum dauerte es so lange, bis Frauen den Weg in die Forschung fanden?

„In den habsburgischen Ländern konnten Frauen ‚informell‘ schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Vorlesungen beiwohnen. Aber ‚offiziell‘ erfolgte die Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium erst 1897, zu Beginn überhaupt erst für die philosophische Fakultät. Die anderen Fakultäten folgten später. Von nun an konnten sie auch Abschlüsse machen und die entsprechenden Berufe ergreifen“, erklärt Mazohl, Professorin für Geschichte an der Universität Innsbruck.

Viele Nominierungen

Die Kernphysikerin Lise Meitner etwa war im Jahr 1948 die erste Frau, die zum korrespondierenden Mitglied der ÖAW im Ausland gewählt wurde. 1938 floh sie aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Stockholm, wo sie bis 1946 am Nobel-Institut für Physik und danach an der Königlichen Technischen Hochschule arbeitete.

Im schwedischen Exil veröffentlichte sie im Februar 1939 zusammen mit ihrem Neffen Otto Frisch die erste physikalisch-theoretische Erklärung der Kernspaltung, die Otto Hahn und dessen Assistent Fritz Straßmann am 17. Dezember 1938 ausgelöst und mit radiochemischen Methoden nachgewiesen hatten. Lise Meitner wurde jahrzehntelang immer wieder für den Chemie-Nobelpreis und den Physik-Nobelpreis nominiert. Sie erhielt zwar keinen Nobelpreis, aber zahlreiche andere Ehrungen.

„Erst 25 Jahre nach ihr wurde ebenfalls eine Physikerin – Berta Karlik – im Jahr 1973 als wirkliches Mitglied aufgenommen“, erklärt Mazohl, „nur die wirklichen Mitglieder haben in der Akademie Sitz und Stimme und somit ein Mitspracherecht. Daher wurde die Ausstellung in diesem Jahr auch aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums der Wahl von Berta Karlik veranstaltet.“ Erst ab Mitte der 1960er Jahre kamen in der Akademie langsam weitere Frauen hinzu. Noch immer würden die Forschungsleistungen von Frauen in Geschichte und Gegenwart zu wenig gewürdigt, sagte Christiane Wendehorst, Präsidentin der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW. Ziel der Ausstellung sei es, „Frauen in der Wissenschaft sichtbar zu machen“.

Eine davon ist Marietta Blau. Sie war die Tochter des Juristen und Musikverlegers Mayer Blau und seiner Frau Florentine, geborene Goldzweig. Nach ihrer Matura am Mädchengymnasium des Vereins für Erweiterte Frauenbildung (Rahlgasse) im Jahr 1914 studierte Marietta Blau bis 1918 als eine der ersten Frauen in Österreich an der Universität Wien Physik und Mathematik. Sie forschte zu Radioaktivität an der Universität Wien und am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften. Ihre Promotion erfolgte 1919 über das Thema „Über die Absorption divergenter γ-Strahlung“. Fünf Mal wurde sie für den Nobelpreis vorgeschlagen. Erfolglos.

Als Jüdin war Marietta Blau 1938 gezwungen zu emigrieren, was einen schweren Einbruch ihrer wissenschaftlichen Karriere bedeutete. Sie wandte sich zunächst nach Oslo, wo sie am Chemischen Institut im Labor von Ellen Gleditsch arbeitete, ging dann nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges aber über Vermittlung von Albert Einstein an die Technische Hochschule in Mexiko-Stadt. Da die Bedingungen in Mexiko die Forschung sehr erschwerten, nahm sie 1944 die Gelegenheit wahr, in die USA zu übersiedeln.

Etwa zehn Jahre lang hatte sie nur wenig Möglichkeiten zu längerer ernsthafter wissenschaftlicher Arbeit, während ihre in Wien zurückgelassenen halbfertigen Arbeiten durch ihre dortigen Kollegen, unter denen es auch nationalsozialistisch Gesinnte gab, weitergeführt und zum Teil publiziert wurden, ohne ihren Namen dabei zu erwähnen. 1970 starb Marietta Blau völlig verarmt in Wien an Krebs. Ihre Erkrankung wird mit jahrelangem ungeschütztem Arbeiten mit radioaktiven Substanzen sowie mit Zigarettenrauchen in Zusammenhang gebracht. In keiner wissenschaftlichen Zeitschrift erschien ein Nachruf.

Keine Männergesellschaft

„Die Akademie ist längst keine Männergesellschaft mehr – und das ist gut so. Wissenschaft lebt von Diversität“, erklärt Christiane Wendehorst heute. Zur Zeit der Zoologin Leonore Brecher war dies noch nicht so. Im Oktober 1923 versuchte Brecher sich als erste Naturwissenschafterin in Österreich zu habilitieren. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie bereits auf mehr als zwanzig wissenschaftliche Veröffentlichungen verweisen. Ihr Gesuch um Erteilung der venia legendi für Zoologie wurde von der philosophischen Fakultät der Universität Wien zunächst verschleppt und 1926 schließlich abgelehnt. 1923 war in die Habilitationsordnung der Universität Wien die Bestimmung aufgenommen worden, dass die Habilitationskommission und die Fakultät nicht nur über die wissenschaftliche, sondern auch über die persönliche Eignung der Bewerber abstimmen mussten.

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