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DR. LODGMAN VON AUEN / EIN LEBEN DER PFLICHTERFÜLLUNG

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Der „große alte Mann“ der Sudetendeutschen, der Sprecher der sudetendeutschen Landsmannschaft, dachte schon europäisch, als man damit noch nicht den Mund in blasphemischem Rettungseifer übervoll nahm. Sein langes, reiches Leben umspannt in großem Bogen die weltweiten Probleme, die sich seiner Volksgruppe von den letzten Jahren der österreichisch-ungarischen Monarchie angefangen bis zum Kampf um das verlorene Heimatrecht stellten. Dr. Lodgman von Auen steht während all dieser Jahre im Dienste einer Pflichterfüllung sondergleichen und war, alles Persönliche dem Sachlichen unterordnend, für viele ein Vorbild. In der Fülle seines Wirkens gewinnt sein Lebensbild eine Bedeutung, die über die Grenzen seiner Heimat weit hinausgeht.

Der einer schottischen Familie Entstammende wurde am 21. Dezember 1877 in Königgrätz geboren und widmete sich, nach dem Abschluß des Jusstudiums der Beamtenlaufbahn. Bei der Statthalterei in Prag und bei den Bezirkshauptmannschaften Aussig, Marienbad und Teplitz-Schönau erwarb er sich die profunden Kenntnisse auf dem Gebiet der Verwaltung, die den altösterreichischen Beamten so auszeichneten. Seit 1911 war er Reichsratsabgeordneter und stand von 1914 bis 1917 in Wolhynien, Südtirol, in Galizien und im Karst als Offizier an der Front. Im Frühsommer 1917 überreichte er Kaiser Karl jene Denkschrift, in der das Wort steht: „Die Staaten werden in Zukunft aus dem Willen der Völker bestehen oder Sie werden nicht bestehen.“ Wie Renner, Po- povici und der Thronfolger strebte auch Lodgman die Ordnung der Nationalitätenverhältnisse im alten Oesterreich an. 1918 übernahm er nach Pacher das schwere Amt eines

Landeshauptmannes von Deutschböhmen, um dieses Gebiet für Oesterreich zu retten: In Saint-Germain kämpfte er für das Selbstbestimmungsrecht, er unterlag aber, weil dort das sogenannte abendländische Erbe albern oder nichtswürdig verscherzt wurde.

Seine große Stunde kam dreißig Jahre später. Nach der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei holten ihn seine Landsleute aus der sowjetischen Besatzungszone nach München und beriefen ihn an die Spitze der Sudetendeutschen Landsmannschaft und in das Präsidium des Sudetendeutschen Rates. Seiner Besonnenheit und seinem Weitblick ist es zu verdanken, daß — frei von Revanche- und Haßgefühlen — zwischen den tschechischen Emigranten und den vertriebenen Sudetendeutschen jener Pakt geschlossen wurde, der beiden Völkern die Respektierung ihrer völkischen Rechte garantiert.

Man sagt, daß man Politiker nach ihrem Verhältnis zu den Mitmenschen und zur Wahrheit betrachten und werten solle: ob sie ihren Mitmenschen mit der Kraft der eigenen Lieberzeugung gegenübertreten, für sie werben oder sich auf den Zwang verlassen, ob sie sich der mitunter schmerzlichen Wahrheit mehr verpflichtet fühlen als dem Streben nach dem Erfolg um jeden Preis, selbst um den Preis eben dieser Wahrheit. Betrachtet man so Lodgmans Leben, so zeigt sich, daß er immer den Mut zur Ueberzeugung und zur Wahrheit hatte, ohne Rücksicht darauf, ob sie angenehm war oder nicht. So ist er einer jener letzten Ritter der Politik, denen der Gegner seine Achtung nicht versagt, weil seine Ziele edel und human sind. Er hat nur einem Bundesgenossen, auch über eine mögliche Not- und Nachtstunde hinaus, vertraut: dem Recht.

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