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Erinnerung und Mahnung

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Der Mann am Rednerpult ist es gewohnt, vor in Reih und Glied angetretenen Kompanien zu stehen und zu sprechen. Er ist zum Gehorchen und zum Befehlen erzogen. Den schicksalsschwersten Befehl seines Lebens aber gab sich Ferdinand Käs selbst, als er in den Apriltagen 1945 aus freien Stücken seine Bereitschaft erklärte, den Kontakt zwischen der militärischen Widerstandsbewegung in Wien und dem russischen Hauptquartier herzustellen. Und er befolgte diesen Befehl getreu, überquerte die Linien, verhandelte eine Nacht zäh mit dem Stab Tolbuchin und kehrte darauf in die eingeschlossene Stadt wieder zurück. Der Wiener Aufstand blieb bekanntlich wegen Verrat nur Stückwerk. Seine Akteure wurden auf Fahndungslisten gesetzt, gejagt, und so man ihrer wie der Offiziere Major Biedermann, Hauptmann Huth und Oberleutnant Raschkes habhaft werden konnte, büßten sie ihre patriotische Tat mit dem Leben. Die Pläne der abtretenden Machthaber des Dritten Reiches aber waren durchkreuzt. Wien blieb das Schicksal Budapests und Breslaus erspart. Tausende Bürger dieser Stadt, „die da ruhig gehen, die da still verwehen“, danken Leben, Gesundheit und Eigentum der heute schon historisch gewordenen Tat einiger beherzter Männer.

Siebzehn Jahre hat der heutige Gendarmerieoberstleutnant und Kommandant der Gendarmerieschule des Bundesministeriums für Inneres über jene Ereignisse, in deren Mittelpunkt er damals stand, geschwiegen. Selbst dann, wenn eine durchsichtige ferngesteuerte Propaganda an den Männern des österreichischen Widerstandes sich zu reiben versuchte. Es gab Wichtigeres zu tun — wie damals im Oktober 1950 als der kommunistische Generalstreikversuch die schwache, vierfach besetzte Republik erschütterte und er sich an der Spitze seiner Gendarmen den Demonstranten in Wiener Neustadt entgegenstellte.

Nun spricht Ferdinand Käs in einer Reihe von Vorträgen. Was er über den ..Militärischen Widerstand im Endkampf um Wien und seinem Widerspruch .zum Soldateneid?“ zu sagen hat, sind nicht nur Erinnerungen und' Reminiszenzen an bewegte Tage. Es ist eine schon lange fällige Abrechnung mit einem bestimmten Zeitgeist, seinen Schrittmachern und seinen Nutznießern.

Jene, die in dem eigentümlichen Klima, das für unsere Innenpolitik charakteristisch wurde, eine freimütige Sprache nicht mehr kennen, werden manche Worte vielleicht zu „direkt“ vorkommen, andere wird es stören, daß die sozialistische Presse den Aus-

ruhrungen von Oberstleutnant Kas so viel Raum gibt, ja, daß die Kommunisten versuchen, neues Wasser auf die Mühlen ihrer Propaganda zu lenken.

Uns stört etwas anderes: Hier steht und spricht ein Mann, dessen Haltung und Gesinnung einst, wie er gerne freimütig bekennt, in der katholischvaterländischen Jugendbewegung der

Ersten Republik geformt wurde. Und die Partei, die diesen Geist auch in unserer Zeit hegen und pflegen sollte, schweigt. Ihre Publikationen bringen kein Wort, scheuen ein Bekenntnis. Da stimmt doch etwas nicht. Da ist ein Fehler in der Leitung. Man beseitige ihn — oder man wundere sich nicht, wenn Woche für Woche immer lautstarker die Sozialisten sich heute als die wahren Gralshüter des österreichischen Patriotismus anpreisen.

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