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Festkonzerte zu Schuberts 150. Geburtstag

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Knapp zwei Jahre nach seiner staatlichen Wiedergeburt, in dem Augenblick, da auch die nationale Souveränität Österreichs wiederhergestellt werden soll, gedenkt die Heimatstadt und das ganze Land des 150. Geburtstages von Franz Schubert. Er ist — wie es der amtsführende Stadtrat für Kultur unc^ Volksbildung zu Beginn des von der Gemeinde Wien veranstalteten Festkonzerts aussprach — unter den klassischen Meistern der Musik der volkstümlichste. Die anderen Großen verehrt das Volk; ihn aber' liebt es. Findet es doch in Schuberts Musik sein eigenes Wesen widergespiegelt: verschönt, erhoben und geadelt. Die volkstümliche Form des Liedes ist die Keimzelle des Schubertschen Schaffens. Er hat es — auf diesem Gebiet ein genialer Neuerer — zum Gefäß differenziertester Inhalte gemacht und ihm zugleich Weltgeltung verliehen. So standen im Mittelpunkt des Festkonzerts der Stadt Wien auch eine Reihe von Liedern — denn nichts anderes sind, ihrem Gehalt und ihrer Form nach, die von Ilona Steingruber und Julius Patzak gesungenen Arien aus den verschollenen Opern, Singspielen und Bühnenmusiken Schuberts: einzelne fast noch ganz im Stil des 18. Jahrhunderts, andere den Meister der Gattung deutlich erkennen lassend. Das Streichquintett in C, op. 163, gewann durch die chorische Besetzung an Klangfülle, die einzelnen Stimmen aber verloren merklich an kammermusikalischer Beweglichkeit. Die Vierte Symphonie in c-moll, die Tragische genannt, erwies mit aller Deutlichkeit, wie stark auch auf Schubert die klassische Form und Diktion gewirkt . haben, wie er aber sein Eigenstes und Besonderes nur dann aussprechen kann, wenn er sich von ihnen ganz oder teilweise löst. So trägt zum Beispiel der letzte Satz dieser Symphonie ausgesprochen Beethovensche Züge, und nur ein ausgezeichneter Kenner würde ihn, aus dem Zusammenhang gelöst, Schubert zuschreiben. — Die Wiener Symphoniker spielten unter Rudolf Moralt. Spuren einer vorausgegangenen Probenarbeit waren an der Aufführung nicht zu entdecken.

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Das Festkonzert des Wiener Schubertbundes — die 1606. Aufführung im 84. Vereinsiahr! — war vor allem dem Meister des Chor- und des Klavierliedes gewidmet. Diese Chorkompositionen (ob der früheren oder späteren Zeit entstammend, bekannte und selten gehörte) bilden jenen Teil des Schubertschen Opus, das auch dem weniger anspruchsvollen Hörer zu gefallen vermag. Die sorgfältig einstudierten und in ihrem eigentümlichen Stil wiedergegebenen Chorlieder leiteten Professor Viktor K e 1 d o r-f e r und Dr. Hans -Gillesberge r. Eine Reihe wenig bekannter Klavierlieder sang Julius Patzak. In Schuberts innersten Bezirk führten Professor Paul Weingartner und Dr. Josef D i c h 1 e r mit dem farbigen und zartbeschwingten Vortrag der Phantasie in f - m o 11 für Klavier zu vier Händen — eine der vollendetsten, melodienreichsten Kompositionen nicht nur Schuberts, sondern der ganzen Gattung. Dr. H. A. F.

In der Karlskirche, der Stätte ihrer Uraufführung vor 120 Jahren, brachte der Schubertbund unter Mitwirkung der Wiener Kantor.ei, geleitet von Hofrat Keldorfer, Schuberts für die Schüler des damaligen Polytechnikums komponierte — und mit 100 Gulden honorierte — Deutsche Messe in der Urfas'sung für gemischten Chor, Bläser und Orgel zur Aufführung. So interessant die Urfassung sein mag, erscheint uns dennoch das welteigen gewordene Meßlied in der allmählich vom Volke selbst zurechtgesungenen schlichteren Art bedeutender. Kardinal In-rj i t z e r, der die Messe zelebrierte, würdigte von der Kanzel aus die kirchenmusikalische Bedeutung Schuberts und insbesondere der Deutschen Messe, die zur bleibenden Bereicherung kirchlichen Volksgesanges wurde, woran der Anreger und Textdichter des Werkes, Johann Philipp Neumann, seinerzeit Professor am Polytechnischen Institut, seinen gewogenen Anteil hat, zu dessen Gedächtnis an der Kirche eine von der Technischen Hochschule gestiftete Gedenktafel enthüllt wurde.

Die Feier schloß mit einem Festaktim Saale der Hochschule, dessen Mittelpunkt Professor Holeys geistvolle Ausführungen über „Phantasie und Glaube in der Technik“ bildeten, von Worten des Rektors Dr. Wolf sowie Hofrat Meithners und Hofrat Keldorfers umrahmt und von künstlerischen Darbietungen des Schneiderhan-Quartetts und des Schubertbundes ergänzt.

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