Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Historia magistra?
DEUTSCHLANDS ROLLE IN DER VORGESCHICHTE DER BEIDEN WELTKRIEGE. Von Andreas Hillgrube r. Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen, 1967. 138 Seiten.
DEUTSCHLANDS ROLLE IN DER VORGESCHICHTE DER BEIDEN WELTKRIEGE. Von Andreas Hillgrube r. Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen, 1967. 138 Seiten.
DM 9.80.
Auf die oft gestellte Frage, ob sich die Geschichte wiederholt und ob aus ihr gelernt wird, gibt Hillgruber für das Deutsche Reich eindrucksvolle Antworten: eine Wiederholung in der Frage der Entwicklung der Kriegsziele liegt im Wesen vor, denn sowohl die 3. O. H. L. 1916 als auch Hitler 1941 hatten gründliche territoriale Reichsausweitung nach Osten hin zum Ziel erhoben, gelernt hat allerdings das Großdeutsche Reich aus dem Zusammenbruch der Hohenzollern 1918 nichts. Bethmann Hollweg wird vorgehalten, er habe es im ersten Weltkrieg versäumt, rechtzeitig den Frieden herbeizuführen, auch Hitler hat die rechtzeitige Überfuhr versäumt. Eine andere Parallele zeigt sich darin, daß Deutschland 1914 seine Gegner im Westen ähnlich unterschätzt hat, wie das Dritte Reich mit demselben überspannten Selbstbewußtsein den Russen entgegentrat. Wollte man 1914 in Frankreich in sechs Wochen gesiegt haben, so rechneten Hitlers Berater 1941 im Osten mit zwei bis vier Monaten: am 3. Juli 1941 sprach Haider vom Sieg in 14 Tagen, am 10. Juli bezeichnete Ribbentrop Englands Vernichtung als eine Frage der Zeit; hier könnte noch an Hitlers Wort vom 3. Oktober erinnert werden, das niedergebrochene Rußland werde sich nie mehr erheben. Der Autor prüft den Operationsplan des Oberkommandos vom 5. August 1940, der wichtigste potentielle Faktoren Rußlands außer acht ließ und dem daher „Realitäten-Blindheit”, „Sorglosigkeit” und „Oberflächlichkeit” vorgeworfen werden. Bemerkenswert ist noch der Hinweis auf das Wiederaufleben des Gedankens einer restlosen physischen und materiellen Vernichtung des Feindes, worunter Hitler unter anderem verstand, Leningrad und Moskau „dem Erdboden gleich zu machen”, um die Bewohner nicht „im Winter ernähren zu müssen”. Die vielfach verwirklichte Ausrottung hinter der Kampffront führte zum Partisanenkrieg der Sowjets und letztlich zu Stalins gigantischem Endsieg. Andreas Hillgruber verfaßte seine bescheiden als „Skizze” bezeichnete Arbeit auf Anregung Werner Con- zes und es ist ihm die Aufhellung der entscheidenden Leitlinien der deutschen Kriegspolitik in beiden Weltkriegen bestens gelungen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!