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Österreich und Holland in kultureller Zusammenarbeit

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Die weltgeschichtlichen Entscheidungen des 16. Jahrhunderts konnten in der Folge die Niederlande und Österreich zwar politisch trennen, keineswegs aber die kulturellen Beziehungen zwischen der Seemacht im Norden und den Donauländern im'Süden lösen oder auch nur unterbinden.

Außerordentlich nachhaltig war der Einfluß Hollands auf religiösem Gebiet. 1552 kam Petrus Canisius, der größte Sohn Nymwegen, nach Wien und begann hier seine ausgebreitete Tätigkeit als Professor und Prediger. Auch die hohen Studien in Prag, Innsbruck und Graz wurden von seinem Eifer erfaßt. In Österreich schrieb er seinen in zahllosen Auflagen verbreiteten kleinen Katechismus. Wenn der alte Glaube an der Donau nicht nur erhalten blieb, sondern auch neuen Boden gewann, so hatte der Heilige au; Holland sich darum unvergängliche Verdienste erworben. Ebenso empfingen die kirchenpolitisdien Neuerer des 18. Jahrhunderts in Österreich starke Anregungen aus den Niederlanden. Es ist noch nicht ausreichend erforscht, steht jedoch bereits fest, daß der sogenannte Josephinismus, der in der österreichischen Intelligenz jahrzehntelang haftenblieb, auf den von Utrecht ausgehenden Jansenismus zurückgeführt werden muß.

Eine Umwälzung auf wissenschaftlichem Gebiet verdankte Österreich im 18. Jahrhundert dem aus Leyden nach Wien berufenen Professor der Medizin Gerard van Swieten. Er war Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia und führte die Reform der Universität Wien und des gesamten österreichischen Medizinwesens in modernem Sinne durch. Das Wiener Allgemeine Krankenhaus erinnert heute noch an ihn. Daneben förderte er das literarische Leben. Denis widmete ihm eine Ausgabe „Ossians“, Blumauer seine Gedichtsammlung. Sonnenfels war sein Freund. Sein Sohn Gottfried Freiherr van Swieten, der an der Spitze der Wiener Hofbibliothek (der heutigen Nationalbibliothek) stand, mi Haydn und Mozart befreundet, verfaßte den Text zu Haydns „Schöpfung“ und „Jahreszeiten“.

Umgekehrt entsandte Österreich wieder nach den Niederlanden bedeutende Kräfte heimischer Herkunft. In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts wirkte zum

Beispiel Johann Nestroy, der österreichische Aristophanes, als' Sänger und Schauspieler in Amsterdam. Schulausgaben von Dichtern, wie Grillparzer, Stifter, Ebner-Eschenbach und anderen, machen die holländische Jugend seit Jahrzehnten mit der Literatur Österreichs frühzeitig bekannt. Welche Aufmerksamkeit ihr an den Universitäten zuteil wird, beweisen die Doktordissertationen etwa von Amsterdam, Nymwegen und Groningen aus letzter Zeit, die das Burgtheater, Karoline Pichler, Stifter, Hofmannsthal, Rilke, Saar und andere österreichische Dichter zum Gegenstand haben.

Unausgesetzt geht auch der Professorenaustausch weiter. Der letzte große Chirurg Österreichs Anton Freiherr von Eiseisberg war gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Utrecht tätig, während der heute noch lebende berühmte Wiener Kliniker Friedrich Wenckebach aus dem Haag stammt.

In Österreich erscholl zuerst, allen Kriegstreibern Äim Trotz, der flammende Ruf „Die Waffen nieder!“ Der gefeierte Wiener Staats- und Völkerrechtslehrer Heinrich Lammasch, letzter Ministerpräsident Altösterreichs, besaß für Holland, die Heimat von Hugo Grotius, den Hort des Friedens, als Pazifist eine besondere Sympathie. 1899 war er Delegierter Österreich-Ungarns auf der ersten Friedenskonferenz im Haag. Ebenso nahm er 1907 in gleicher Eigenschaft an der zweiten Friedenskonferenz teil, nachdem er die Fortbildung des Völkerrechts durch die Haager Konferenz in einer eigenen Schrift klargestellt hatte. Seine Haltung unterschied sich wesentlich von der damals schon bedenklichen der preußisch-deutschen Delegierten.

Das sind nur einige Namen und einige Tatsachen. Doch sie allein schon genügen, um die innigen kulturellen Wechselbeziehungen zwischen Holland und Österreich auch weitesten Kreisen verständlidi zu machen. Die neugegründete „Nederlandsch-Oostenrijksdie Cultureele Vereeniging“ wird im Verein mit ihrer Schwesterorganisation der „Österreichisch-Niederländischen Kultur-Gesellschaft“ in Wien ein reiches Arbeitsfeld finden. Nachdem der Alpdruck unerhörter Fremdherrschaft von Holland und Österreich gewichen ist, steigern beide Läader m werktätiger Zusammenarbeit alle Aussichten ihrer auch kulturellen Wiedergeburt. ,

Die auf Anregug unseres Landsmannes, Universitätsprofessor Dr. Koset, im Leben gerufene „Nederlandsch-Oostenrijksche Culturefle Vereeniging“ darf bereits auf eine Konzertreise der Wiener Sängerknaben hinweisen, die für den Herbst dieses Jahres nach Holland eingeladen sind. Weitere Veranstaltungen werden vorbereitet. Die Furche“

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