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Zwischen allen Fronten
IM ZORN DER ZEIT. Roman von Nicholas Fersen. Aus dem Amerikanischen von Ernst Sander. Alfred-Scherz-Verlag, Bern-Stuttgart-Wien. 374 Seiten, Leinen. Preis 117.50 S.
IM ZORN DER ZEIT. Roman von Nicholas Fersen. Aus dem Amerikanischen von Ernst Sander. Alfred-Scherz-Verlag, Bern-Stuttgart-Wien. 374 Seiten, Leinen. Preis 117.50 S.
Eine, wenn auch romanhaft ausgeschmückte, so doch im wesentlichen auf dokumentarischen Berichten beruhende Schilderung des Schicksals jener Männer, die sich um General Wlassow geschart hatten, um ihre russische Heimat von der Herrschaft Stalins zu befreien. Als sich Wlassow im Dezember 1942 entschloß, aktiv am Kampf gegen Sowjetrußland teilzunehmen, vertrat er den Standpunkt, daß der größte Feind des russischen Volkes der Kommunismus sei. Deshalb erklärte dieser russische Patriot: „Die Deutschen müssen einsehen, daß sie den Bolschewismus nicht ohne Mithilfe des russischen Volkes niederzwingen können. Aber die Russen wollen sich nur auf der Grundlage der Unabhängigkeit und fest-umrissener Garantien am Kampf beteiligen.“
Die Ostpolitik Hitlers zerstörte sehr rasch derartige Illusionen. Je schwieriger die Lage an der Ostfront wurde, um so gespannter gestaltete sich das Verhältnis zwischen den deutschen Dienststellen und Wlassow, der das Vorgehen der nationalsozialistischen Funktionäre gegen die russische Bevölkerung scharf kritisierte. In den letzten Monaten des Krieges wurden die Anordnungen des russischen Generals von den deutschen Heeresstellen systematisch sabotiert; vor allem machte man es ihm unmöglich, seine voneinander getrennt eingesetzten Regimenter zu vereinigen. Schließlich wurden Wlassow und seine Getreuen, nachdem sie von den Amerikanern den Sowjets ausgeliefert worden waren, am 2. August 1946 hingerichtet.
Manche Episode auf dem Leidensweg dieses verlorenen Haufens, der sich in irregeleitetem Idealismus und wirklichkeitsfremdem Optimismus mit Beelzebub verbündet hatte, um den Teufel auszutreiben, ist bisher noch nicht allgemein bekannt, verdient jedoch besondere Beachtung. Dies gilt vor allem für das Eingreifen von Einheiten der Wlassow-Armee in die Kämpfe um Prag. Durch einen Überraschungsangriff gelang es ihnen, die letzten deutschen Widerstandsnester auszuheben und dadurch die Stadt vor Zerstörungen größeren Ausmaßes zu bewahren.
In ergreifenden Einzelschicksalen spiegeln 6ich die historischen Geschehnisse; dabei offenbart sich die Eigenart der russischen Seele, die in aufopfernder Liebe, in selbstquälerischer Grübelei und in versengendem Haß keine Grenzen kennt. Der Autor nimmt sich kein Blatt vor den Mund. In Szenen von derb Realistik wird er den rauhen Sitten der
Landser und Muschiks ebenso gerecht wie der echten Frömmigkeit jener, die selbst im Kampflärm die Osterkerze entzünden.
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