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"Ikonen des 20. Jahrhunderts": Im Mittelpunkt des Abschlusskonzertes stand Beat Furrers Violinkonzert "Andere Stimmen", ein Auftragswerk von Graz 2003.

Vielfach ist das am letzten Wochenende zu Ende gegangene Kulturhauptstadtjahr kommentiert worden, durchaus zu Recht auch kritisch ob der Vordergründigkeit vieler Ereignisse. "Graz darf alles, nur nicht unbemerkt bleiben" - Hauptsache spektakulär, Qualität und Nachhaltigkeit interessieren, falls überhaupt, erst, wenn die Besucherquoten stimmen.

So berechtigt die Kritik auch sein mag, es bleiben unter den Events herausragende Programmpunkte. Dazu zählt zweifellos die Konzertreihe Ikonen des 20. Jahrhunderts, die mit dem zweiten der beiden Gastspiele der Wiener Philharmoniker, diesmal unter Leitung von Ingo Metzmacher gemeinsam mit der Wiener Singakadmie, vergleichsweise unspektakulär, doch äußerst spannungsvoll zu Ende ging. Und es wurde bewiesen, dass mit Qualität auch Quoten zu machen sind.

Violinkonzert von Furrer

Noch einmal bot man in der bis auf den letzten Platz besetzten Helmut List-Halle Klangkunst der Gegenwart auf höchstem Niveau. Dramaturgisch klug ausgewählt, beschlossen die Werke stringent den Programmreigen, den sie vor knapp einem Jahr eröffnet hatten.

Am Beginn stand eine Wiederentdeckung: Vorspiel zu einem Drama, eine den Wiener Philharmonikern gewidmete und von diesen 1914 uraufgeführte Komposition des zu seiner Zeit bedeutenden Komponisten, Dirigenten und Kompositionslehrers Franz Schreker, dessen Musik nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu vergessen wurde. Das vom Orchester meisterhaft realisierte Werk beeindruckte durch spannende Dramatik, die streckenweise an Filmmusik erinnert, darin Olivier Messiaens Turangalila-Symphonie ähnlich, die zu Ostern zu hören gewesen war.

In Beat Furrers im Auftrag von Graz 2003 komponiertem Violinkonzert Andere Stimmen, neben dem Konzert von Georg Friedrich Haas das zweite in dieser Reihe von Ernst Kovacic präsentierte Violinkonzert eines in Österreich wirkenden Komponisten, ist das konzertierende Prinzip zwischen Solovioline und Orchester als intimes Miteinander dargestellt. Die von Furrer geforderten, mit grandioser Leuchtkraft ausgeführten neuartigen Klänge führten in leise, unerhörte Klangräume. In ihrer Naturnähe weckte auch diese Komposition Erinnerungen: an die musikalischen Aggregatzustände der Musik von Boulez oder die Kraft der Stille bei Feldmann und Nono, die im März zu erleben waren.

Auch in den beiden weiteren Kompositionen stand das Experimentieren mit Klangfarbe im Vordergrund. Drei vom Komponisten meditativ improvisierend entdeckte und später traditionell notierte Erscheinungsweisen des Klanges wurden in Giacinto Scelsis Konx-om-pax vorgestellt: Klang als erste Bewegung des Unbewegten, als schöpferische Kraft und schließlich als Silbe "Om". Mit Debussys Nocturnes erklang zum Abschied ein wortloser orchesterbegleiteter Sirenengesang. Die Homerische Episode, bereits von Adorno in der Dialektik der Aufklärung als Synonym für Wirkungslosigkeit und Wirkungsmacht abendländischer Kunstmusik herangezogen, zeigte einmal mehr, wie bei bester Interpretation das Markenprodukt Kunst doch mehr bietet als bloßen Zeitvertreib.

Mut zur Gegenwartsmusik

Was bleibt als Resümee? Eine Konzertreihe ausschließlich mit Werken des 20. Jahrhunderts zu veranstalten, war ein ambitioniertes und äußerst erfolgreiches Projekt. Kurator Peter Oswald ist herzlich zu gratulieren. Zweifellos hat sich gezeigt: Die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts darf alles, nur nicht unentdeckt bleiben! Zuviel wäre, was wir versäumten. Kunsthaus und List-Halle wollen bespielt sein mit Kunst unserer lebendigen Gegenwart. Sonst drohen sie, zum Mahnmal missglückter Kulturpolitik zu verkommen.

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