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Karajan — klassisch und modern

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Der Beethoven-Zyklus unter def Leitung Herbert von Karajans nähert sich seinem Ende. Mit der Aufführung der acht Symphonien hat sich der Dirigent ein neues Territorium erobert, und zwar zunächst ‘vom Rande her: durch deutliche, genaue, mit • einem Wort „perfekte“ Interpretation, die kaum einen Wunsch offen läßt. Auf höherer Ebene sind seine besonderen Qualitäten: Blick für die Architektur und die „Dramaturgie", sowohl der einzelnen Sätze als auch des ganzen Werkes, und Gefühl für die latenten Spannungen, die nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar gemacht werden. Gewisse harte Übergänge, heftige Akzente und scharfe dynamische Differenzierungen scheinen gleichfalls zu diesem Interpretationsstil zu gehören. Die Wiener Symphoniker, durch je zwei Symphonien in jedem Konzert auch physisch stark, beansprucht, haben die Intentionen des Dirigenten mit aller wünschenswerten Genauigkeit verwirklicht.

In der ersten Runde des zweiten Konzerts „Musik der Gegenwart", den die Gesellschaft der Musikfreunde gemeinsam mit der Ravag veranstaltet, gab es zwei Werke, die man als „musikalisches Federgewicht“ bezeichnen könnte und die entstanden sind, als ihre beiden Autoren noch kompositorische Wunderkinder waren: Benjamin Britten, Jahrgang 1913, schrieb seine „Varia- tionen über ein Thema von Frank Bridge“ etwa 1938; das „Concertino" von Jean Franęais (Jahrgang 1912) stammt aus dem Jahre 1932 (inzwischen sind beide „schwerer" geworden: der eine schreibt hauptsächlich Opern, der zweite unter anderem große Oratorien). Die Ecksätze der zehn Variationen Brittens sind ernst gemeint, während die mittleren (Marsch, Romance, Aria Italfana, Wiener Walzer usw.) parodistisches Gepräge tragen und häufig an Schosta- kowitsch erinnern. Das vielgespielte „Concertino" von Jeąn Franęais (Solist: Hans Kann) ist einer jener geistvollen musikalischen Scherze, wie sie Satie gelehrt und viele nachher mit weniger Glück und Geschick nachgeahmt haben. — Jede Wiederbegegnung mit Bartöks „Concerto“ aus dem Jahre 1943, das vor vier Jahren durch L. Somogyi in Wien erstaufgeführt und später auch beim II. Internationalen Musikfest und unter Furtwängler in einem Philharmonischen Konzert gespielt wurde, bestätigt den damaligen Eindruck von einem starken, ergreifenden und eigenwilligen Werk. Doch bedarf es — bei seinem programmatischen, geradezu konfessionellen Charakter, mit seinen Reminiszenzen, Anspielungen und bitter-karikaturistischen Elementen — dringend eines Kommentars (den man leider im Programm vermißte). Die Wiedergabe war eindringlich, der Beifall vielsagend.

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