"Steine sind wie Bücher“

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Das Bundesdenkmalamt organisiert am 29. September eine Vielfalt an Veranstaltungen. Vorab eine kurze Expertentour durch Wiens Innenstadt.

"Marmor, Stein und Eisen bricht ...“ lautet der Refrain des bekannten Schlagers aus den 1960er-Jahren. Das Material Stein steht metaphorisch für Beständigkeit, Gebäude und Denkmäler werden daraus gebaut, die wiederum als Gedächtnisträger für die Bevölkerung fungieren. Doch auch die robustesten Gesteinsarten verlieren ohne Pflege mit der Zeit ihre Farbe, ihren Glanz, werden rissig und verwittern. Am Tag des Denkmals am 29. September organisiert das Bundesdenkmalamt unter dem Motto "aus Stein?“ österreichweit über 300 Programmpunkte für Interessierte. Im Rahmen von Führungen und Stadtwanderungen wird den Teilnehmern teils Zutritt zu sonst verschlossenen Räumen gewährt. Ein solcher Geheimtipp in Wien ist beispielsweise die gotische Hofburgkappelle, welche einst freistehend im Lauf der Jahrhunderte fast komplett zugebaut wurde.Über einen barocken Dachstuhl ist jedoch die Westfassade noch einsehbar, die den Witterungsverhältnissen kaum ausgesetzt war und in einem fast jungfräulichen Zustand erhalten ist. Das Gemäuer besteht aus Muschelkalk von einem ehemaligen Steinbruch in Hietzing. Wo heute Wiener durch den Tiroler Park und den Friedhof spazierengehen, war früher ein Abbaugebiet.

Kulturelles Erbe für Generationen

Mit der Hand streicht Universitätsprofessor Andreas Rohatsch über das poröse Gestein der Hofburgkappelle, fast spricht Zuneigung aus dieser Geste. "Vor rund 12 Millionen Jahren haben sich am Westhang des Wiener Beckens diese Ablagerungen gebildet. Es herrschte Mittelmeerklima zu dieser Zeit“, erzählt er, als hätte er es selbst erlebt, und beteuert: "In Steinen kann man lesen wie in einem Buch. Geologie ist in Wahrheit kein staubtrockenes Unterrichtsfach.“

Denkmäler sind unersetzbare geschichtliche Zeugnisse. Ziel des Denkmalamtes ist die Bewahrung des kulturellen Erbes für die nächsten Generationen. "Vor allem wollen wir am Tag des Denkmals die Kulturschätze unseres Landes der Bevölkerung näherbringen. Wir brauchen lebendige Denkmäler!“, sagt Landeskonservator Friedrich Dahm vor der Wiener Pestsäule stehend. Diese besteht fast gänzlich aus Untersberger Marmor aus Salzburg. Die Erbauung wurde im 17. Jahrhundert von Kaiser Leopold I. veranlasst, der in kniender Pose auf dem Denkmal verewigt ist. Seit einigen Jahren spannt sich ein Netz über sein Antlitz und das gesamte Bauwerk - zum Schutz vor Tauben. Doch nicht nur Vogelkot war in früherer Zeit ein Grund für Beschädigungen. Bei Demonstrationen sind nicht selten Leute auf die gut 18 Meter hohe Säule geklettert. "Stein kann auch brechen“, so Steinrestaurator Johann Nimmrichter, "das haben sie wohl vergessen.“

Dass aber keineswegs alles Marmor ist, was glänzt, erfahren Besucher am Tag des Denkmals in vielen Programmpunkten. Fassaden, Ornamente, Skulpturen sind oft bloß Imitationen und kein teurer Naturstein. Die Wiener Stadtwanderung führt weiter zur Peterskirche, wo der Portikus momentan einer Restauration unterzogen wird, in den Wänden sind Feuchtigkeitsschäden entstanden. "Ich könnte mir denken, die Fassade war einst mit Bienenwachs als Verwitterungsschutz überzogen“, so Rohatsch. Heute gilt es andere Wege zur Instandhaltung zu finden. Die Forschungsarbeiten des Bundesdenkmalamtes widmen sich aber nicht nur Möglichkeiten der Restaurierung von österreichischem Kulturgut, sondern Fragen nach Entstehung, Eigenschaften und Verarbeitung des Steinmaterials. Traditionelle Technologien sollen dabei bewahrt werden. So arbeitet die Dombauhütte zu St. Stephan seit dem Mittelalter mit handwerklicher Steinmetzkunst und ist auch heute neben modernen Laserverfahren bei Restaurationsarbeiten im Einsatz.

Vergessene Farbpalette

Unter dem romanischen Riesentor betreten täglich zig Menschen den Stephansdom und zücken ihre Fotoapparate. Wieviele von Ihnen wissen wohl, dass das Eingangstor ursprünglich in rot, blau und gelb erstrahlte? Bei dessen Restauration konnte mittels vieler Proben auch die ursprüngliche Polychromie rekonstruiert werden. Betritt man heute den Dom, ist kaum vorstellbar, dass auch die Säulen, Wände und Figuren im Innenraum bunt bemalt waren.

Die Veranstaltungen am Tag des Denkmals ermöglichen einen neuen Blickwinkel auf altbekannte Denkmäler wie den Stephansdom, laden aber ebenso ein zu Erkundungstouren zu geheimnisvollen Orten und Plätzen in ganz Österreich.

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